„Wege entstehen beim Gehen!“

23.10.2017 - Interview mit Ines Petermann, Schulleiterin an der Gemeinschaftsschule Friedrichsstadt in Wittenberg

© privat

Ines Petermann ist Schulleiterin an der Gemeinschaftsschule Friedrichsstadt in Wittenberg. Die gebundene Ganztagsschule nimmt am Programm „LiGa – Lernen im Ganztag“ in Sachsen-Anhalt teil. Warum sie das tut und was für sie das Besondere am Programm ist, erklärt sie im Interview.

Frage: Warum nimmt Ihre Schule am LiGa-Programm teil?

Ines Petermann: Durch meine langjährigen Erfahrungen kann ich schon recht gut einschätzen, an welcher Stelle ein Programm hilfreich ist. Bei LiGa Sachsen-Anhalt war meinen Kolleginnen und Kollegen und mir sofort klar, dass das Programm eine sehr gute Möglichkeit ist, uns und unsere Arbeit zu unterstützen und nicht einfach nur Mehrarbeit bedeutet.

Wir haben bereits viele und gute Erfahrungen mit der Teilnahme an Netzwerken (z.B. Referenzschulnetzwerk in Sachsen-Anhalt) gesammelt und diese Möglichkeit der Netzwerkarbeit wollten wir weiter nutzen. Außerdem ist an unserer Schule ein Schwerpunkt das individualisierte Lernen. Hier arbeiten wir an der Weiterentwicklung unserer eigenverantwortlichen Lernzeit und an der Neugestaltung unseres umfassend projektorientierten Lernens durch digital-vernetzte Lernsettings. Hier hatten wir zum Beispiel im Rahmen von LiGa eine schulinterne Qualifizierung von Lehrkräften für die Arbeit mit Lernsticks. Unsere Lehrkräfte haben eigene Ideen für dessen Einsatz entwickelt und er ist eine gute Antwort auf die aktuellen Herausforderungen der IT-Ausstattung an vielen Schulen.

Frage: Was ist das Besondere an dem Programm „LiGa – Lernen im Ganztag“?

Ines Petermann: Das Besondere ist, dass das Programm die übergeordnete Behörde – das Landesschulamt – mit ins Boot holt. Die schulfachlichen Referentinnen und Referenten liefern uns in der Prozessbegleitung interessante fachliche Impulse aus einer anderen Perspektive. Gleichzeitig bekommen sie einen tieferen Einblick in die Schulabläufe. Das finde ich extrem wichtig. Die Schulen arbeiten mittlerweile schon sehr gut miteinander, aber die übergeordneten Behörden waren bislang häufig völlig außen vor. Das LiGa-Programm bietet schulfachlichen Referentinnen und Referenten zudem erstmals die Möglichkeit, in Entwicklungsprozesse an Schule direkt mit eingebunden zu werden.

Frage: Wie genau sieht ihre Zusammenarbeit mit der Schulaufsicht im Rahmen von LiGa Sachsen-Anhalt aus?

Ines Petermann: Regelmäßige große Netzwerktreffen aller Schulen gemeinsam mit den schulfachlichen Referentinnen und Referenten bilden die Basis unserer gemeinsamen Arbeit im Programm. Die schulfachlichen Referentinnen und Referenten sollen hier gemäß des Leitbildes des Landesschulamtes und des Kompetenzprofils die Rolle des Beraters einnehmen. Das gelingt in jeweiligen Zusammensetzungen von zwei bis fünf Schulen je schulfachlichem Referent je nach Entwicklungsstand der Schule, Selbstverständnis und Beratungskompetenz der Schulaufsichtsperson in unterschiedlicher Weise. Wir hatten im Zuge eines Sondierungsgespräches zur Einführung des Lernsticks und zum Start als Open-Source-Pilotschule ein Gespräch mit Experten für den Lernstick und den Raspberry Pi, an dem neben Akteuren aus Partnerschulen aus dem Netzwerk auch der Schulträger und unser schulfachlicher Referent teilnahmen. Ich denke, dass nur die enge sachbezogene und pädagogisch-fachliche Zusammenarbeit es ermöglicht, Schulentwicklung über die Steuerungseben zu unterstützen.

Frage: Welche Projekte wurden an Ihrer Schule durch LiGa Sachsen-Anhalt konkret ermöglicht? Was hat sich seit Programmteilname an Ihrer Schule verändert?

Ines Petermann: Es gibt zwei große Bereiche, die wichtig an unserer Schule sind und durch das LiGa-Programm gefördert werden. Das ist einmal die die Gestaltung von individuellen Lernprozessen durch unterschiedliche Lernformen und Lernsettings. Dabei nutzen wir schon seit vielen Jahren das projektorientierte Lernen als festen Bestandteil des wöchentlichen Unterrichtsablaufes und die tägliche Eigenverantwortliche Lernzeit. Durch die Programmteilnahme wurden wir zusätzlich motiviert und aktiviert, diese Bereiche weiter zu optimieren. So können wir nun Arbeitsweisen zielführender, strukturierter und nachhaltiger für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte und den individuellen Lernfortschritt jedes Einzelnen transparenter gestalten.

Das andere große Thema an unserer Schule ist für uns die enorme Erweiterung der Möglichkeiten des individuellen Lernens durch digital-vernetzte Lernsettings. Hier sind wir erste Schritte gegangen, die der Ausstattungssituation an unserer Schule Rechnung tragen. Mittlerweile sind wir soweit, dass wir in fast allen Räumen WLAN haben. Als nächstes möchten wir einführen, dass die Schülerinnen und Schüler an eigenen Endgeräten arbeiten können. Auf Open-Source zu setzen, ist zudem ein pädagogisch begründeter Ansatz des Selber-Machens. Ein entsprechend pädagogisch-didaktisches Medienkonzept erarbeiten wir gerade im Rahmen von LiGa. Das Ganze ist ein ständiger Prozess, bei dem uns der Austausch in den Netzwerken sehr hilft. Das Motto unserer Schule ist: „Wege entstehen beim Gehen“ und so bewegen wir uns immer weiter.

Frage: Sie haben die Arbeit in den schulischen Netzwerken schon angesprochen, wie nehmen Sie die Arbeit in ihrem schulischen Netzwerk war und was nehmen Sie davon mit?

Ines Petermann: Das Schöne an der Arbeit in den schulischen Netzwerken ist das Geben und Nehmen. Als gebundene Ganztagsschule konzentrieren wir uns darauf, Unterrichtsinhalte mit Ganztagsangeboten zu verbinden und eine direkte Verzahnung zu schaffen. In den Netzwerken tauschen wir uns mit anderen Schulen aus. Wo habe ich Zeitfenster? Wo habe ich Möglichkeiten, die Projekte nicht additiv zu gestalten, sondern wirklich eine Verzahnung hinzukriegen? Viele Schulen in Sachsen-Anhalt sind keine gebundenen Ganztagsschulen – da ist die spannende Herausforderung, wie sie solche Angebote trotzdem sinnvoll in den Unterricht integrieren können. Hier sehen wir unsere Chance, den anderen Mut zu machen und sie dabei zu unterstützen, Projekte des individuellen Lernens passgenau in ihren Unterricht zu integrieren. Individualisiertes Lernen ist in allen Schulformen notwendig und nicht nur auf gebundene Ganztagsschulen beschränkt.

Eckdaten zur Gemeinschaftsschule Friedrichstadt
Schulform: Gemeinschaftsschule (Klassen 5 – 13)
Ganztagsschulform: gebunden
Homepage: www.gts-friedrichstadt.bildung-lsa.de/

kontakt@gts-friedrichsstadt.bildung-lsa.de

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