Der aktuelle SteG-Bericht „Ganztagsschule 2017/2018“ bestätigt, dass ein großer Teil der Ganztagsschulen in Deutschland sein Potenzial ungenutzt lässt. Statt Kompetenzerwerb und Begabungsförderung steht häufig die Betreuung im Mittelpunkt des Ganztagsbetriebs.
In den Jahren 2012, 2015 und 2018 wurden im Rahmen der „Studie zur Entwicklung der Ganztagsschule“ (StEG) Schulleitungen aus ganz Deutschland zur Struktur und Organisation der Ganztagsschulen befragt. Die für alle Bundesländer repräsentative Studie hat zum Ziel, zentrale Merkmale und Entwicklungen der Ganztagsschulen darzustellen. Die Befragung von knapp 1.400 Schulleitungen ergibt ein aktuelles Bild zum Ausbaustand der Ganztagsschulen und zeigt Trends und Entwicklungen auf.
In ihren Ergebnissen sehen die Autorinnen und Autoren der Studie die Bestätigung dafür, dass die Ganztagsschule die Vereinbarkeit von Beruf und Familie befördert. So sei die Ganztagsstruktur insbesondere an Grundschulen bereits so weit ausgebaut, dass an den meisten Schulen an fünf Tagen in der Woche eine ganztägige Betreuung angeboten werden kann. Währenddessen umfasst der Ganztagsbetrieb an Sekundarschulen in der Regel ein Betreuungsangebot an vier Tagen in der Woche. Die Ganztagsschule übernehme damit ihre grundlegende sozial- und familienpolitische Funktion, so die Forscherinnen und Forscher des StEG-Konsortiums.
Verteilung der offenen und geschlossenen Ganztagsschule
Wie auch in den vorangegangenen StEG-Berichten deutet sich an, dass sich die Ganztagsschule in offener Form zu etablieren scheint. Gerade an Gymnasien und Primarschulen ist diese Form die vorherrschende. An Schulen der Sekundarstufe 1 (ohne Gymnasien) zeigt sich ein anderes Bild. Dort ist die verpflichtende oder teilweise verpflichtende Ganztagsschule mit einem Anteil von mittlerweile 72 Prozent sehr weit verbreitet.
Um den Ganztagsbetrieb zu gestalten kooperieren viele Schulen mit außerschulischen Partnern. Der Anteil der Schulen, die den Ganztagsbetrieb ohne Kooperationspartner durchführen, ist allerdings auf 20 Prozent auf alle Schulformen verteilt hinweg gestiegen. Gesunken ist im Gegenzug die Anzahl der Kooperationspartner, mit denen die einzelnen Schulen zusammenarbeiten. Im Schnitt arbeitet jede Schule mit 3,5 Kooperationspartnern zusammen. Unabhängig von der Schulform entstammen diese Partner am häufigsten dem Bereich Sport. Ungefähr die Hälfte der Primar- und Sekundarschulen (ohne Gymnasien) arbeitet mit Partnern aus der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Gymnasien arbeiten währenddessen nur in 36 Prozent der Fälle mit Partnern aus diesem Feld zusammen.
Steuerung durch die Schulleitung
Gesteuert wird der Ganztagsbetrieb an den meisten Schulen hauptsächlich von der Schulleitung. Im Unterschied zu den Primarschulen ist an 21 Prozent (Sekundarschulen ohne Gymnasien) beziehungsweise 31 Prozent (Gymnasien) der weiterführenden Schulen eine Lehrkraft mit der Steuerung des Ganztagsbetriebs beauftragt. An 12 Prozent der Primarschulen gibt es im Gegenzug ein Koordinationsgremium von Schule und außerschulischem Träger, das die Steuerung des Ganztagsbetriebs übernimmt. Dieser Wert ist damit doppelt so hoch wie an den weiterführenden Schulen.
Während die Ausstattung mit materiellen Mitteln je nach Schulform und -größe unterschiedlich bewertet wird, haben Schulen aller Formen Schwierigkeiten mit der Gewinnung von weiterem pädagogisch tätigem Personal. Das ist unabhängig von der Lage der Schulen. So haben auch Schulen im großstädtischen Raum mittlerweile Probleme, geeignetes Personal zu finden.
Betreuung statt Begabungsförderung
Der Studie zufolge schöpft ein großer Teil der Ganztagsschulen ihr Potenzial nicht voll aus. Die Autorinnen und Autoren sprechen gar von reduzierten pädagogischen Zielen, die die Schulen mit ihrem Ganztagsangebot verfolgen. Mehr als die Hälfte der Primarschulen und knapp die Hälfte der weiterführenden Schulen geben demnach an, dass sie mit ihrem Ganztagsbetrieb keine Ziele der Kompetenzorientierung oder Begabungsförderung verfolgen. An zwei Dritteln der nicht-gymnasialen Schulen wird mit dem Ganztag jedoch eine erweiterte Lernkultur angestrebt. Dies trifft ebenso auf gut die Hälfte der Gymnasien zu. Im Gegensatz dazu hat die verlässliche Betreuung der Schülerinnen und Schüler an über 90 Prozent der weiterführenden und fast allen Primarschulen einen hohen Stellenwert und stellt ein zentrales Ziel des Ganztagsbetriebs dar.
Auch Möglichkeiten der flexiblen Zeitgestaltung bleiben bei den befragen Ganztagsschulen weitestgehend ungenutzt. Statt einer Rhythmisierung der Tagesstruktur herrscht an 50 bis 60 Prozent der Schulen eine Einteilung des Unterrichts und der außerunterrichtlichen Angebote in größere Zeitblöcke. 50 Prozent der Sekundarschulen (ohne Gymnasien) und knapp 70 Prozent der Gymnasien geben zudem an, dass der Unterricht und sonstige Angebote wenig verbunden sind.
Feste Kooperationszeiten für multiprofessionelle Teams
Eine Maßnahme, um die Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten zu befördern, bilden feste Kooperationszeiten. Diese Maßnahme ist an mehr als zwei Dritteln der Primarschulen curricular verankert. Etwas mehr als die Hälfte der Sekundarschulen und weniger als die Hälfte der Gymnasien kann diese Verankerung vorweisen. Zwischen der Verankerung fester Kooperationszeiten und der gemeinsamen Fortbildung multiprofessioneller Teams scheint es zudem einen Zusammenhang zu geben. An Schulen, an denen feste Zeiten für die Kooperation zwischen Lehrkräften und dem weiteren pädagogisch tätigen Personal vereinbart sind, besuchen diese auch eher gemeinsame Fortbildungen.
„Wenn das Ziel einer qualitativ hochwertigen Bildung und Förderung an den Ganztagsschulen weiterhin verfolgt werden soll, muss das Augenmerk verstärkt auf die pädagogische Schulentwicklung und die multiprofessionelle Zusammenarbeit gelegt werden“, fasst das StEG-Konsortium seine Erkenntnisse zusammen.