Schulentwicklungsgespräche und Zielvereinbarungen spielen in der Zusammenarbeit von Schulleitungen und Schulaufsicht eine zunehmend wichtige Rolle. Unter welchen Bedingungen sind diese Instrumente wirkungsvoll für die Qualitätsentwicklung? Was trägt zu ihrer Akzeptanz bei allen Beteiligten bei? Um diese Fragen ging es im Salon 4 beim Schulaufsichtsfachtag am 4. Mai 2018 in Berlin.
Prof. Dr. Eva-Maria Lankes: Warum Ziele so wichtig sind
Die erste Impulsgeberin war Prof. Dr. Eva-Maria Lankes. Sie ist Leiterin der Qualitätsagentur des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung München. Die Qualitätsagentur hat im Jahr 2012 unter ihrer Federführung einen „Leitfaden für die Erstellung von Zielvereinbarungen“ erstellt, der in Kürze als Neuauflage erscheinen wird.
Lankes begann ihren Input mit der Feststellung, dass es ohne Entwicklung nicht geht: „Alles entwickelt sich. Und wir haben die Wahl, die Entwicklung aktiv mitzugestalten. Wir erwarten von Schulen, dass sie das tun – dass sie aktiv werden!“ Anschließend formulierte sie drei Thesen.
These 1: Wer aktiv ist und etwas absichtlich tut, der verfolgt Ziele.
„Die Frage ist nicht, ob man mit oder ohne Ziele handelt – sondern ob man sich dieser Ziele bewusst ist“, sagte Lankes. „Wenn Ziele nicht bewusst sind, dann weiß man nicht genau, warum man etwas tut. Professionelles Handeln bedeutet jedoch, sich seines Handelns bewusst zu sein und gute Gründe für eben dieses Handeln zu haben.“ Explizite, ausformulierte Ziele helfen, Handlungen zu begründen, Ergebnisse zu überprüfen und Rechenschaft abzulegen.
These 2: Ziele helfen zu steuern.
Schulen haben viele Baustellen – Mobbing, Elternarbeit, Gewaltprävention, MINT-Förderung und vieles mehr. „Aktive Schulen tendieren dazu, sich zu verzetteln. Das kostet Ressourcen und Energie“, sagte Lankes. „Passive Schulen tendieren dazu, den Kopf in den Sand zu stecken und erst mal nichts zu tun.“
Ziel sollte es sein, gemeinsam mit den Schulen einen Mittelweg zwischen Aktionismus und Passivität zu finden. „Es ist sinnvoll, einige wenige Ziele zu identifizieren, die sich auf die spezielle Situation der Schule beziehen.“
These 3: Entwicklung kann nur in eigener Verantwortung erfolgen.
Lernen kann das Individuum nur selbst. Genauso ist es mit dem Entwickeln: Es muss aus dem Individuum bzw. aus der Institution heraus entstehen. Nicht die Schulaufsicht kann die Schulen entwickeln, sondern die Schule muss dies selbst tun.
Schulaufsicht hilft den Schulen, ihre Schulentwicklung systematisch und zielorientiert zu betreiben. Aber die Schulen sind auf einem unterschiedlichen Stand in dem, was sie können und was wollen. Daher muss die Schulaufsicht die Schule dort abholen, wo sie steht, und dabei unterstützen, kleine Schritte zu gehen und realistische Ziele zu verfolgen.
Barbara Wrede: Schule und Schulaufsicht als Qualitätspartner
Barbara Wrede ist langjährige Schulleiterin der Lobdeburgschule Jena, die sie nach der Wiedervereinigung mit aufgebaut hat. Auch sie stellte ihre Thesen zur Wirksamkeit von Schulentwicklungsgesprächen und Zielvereinbarungen vor.
These 1: Schulentwicklungsgespräche und Zielvereinbarungen sind sinnvolle Instrumente, wenn Schulaufsicht ein Qualitätspartner ist.
„Schulqualität entwickelt sich immer aus der Schule heraus und niemals durch Auflagen von oben“, sagte Wrede. „Damit das geschehen kann, brauchen Schulen Vertrauen in die Arbeit, Eigenverantwortung, Rückenstärkung und Unterstützung.“
These 2: Je näher die Schulaufsicht an der Einzelschule ist, umso wirksamer und nachhaltiger sind die Entwicklungsschritte.
Entwicklungsprozesse brauchen Kontinuität und Verlässlichkeit. Das bedeutet, dass Schulaufsicht und Schule immer im Gespräch bleiben, in der Qualitätsdiskussion auch voneinander lernen und Veränderung zulassen.
„Schulen sind individuell – das bedeutet auch, Ungleiches ungleich zu behandeln“, sagte Wrede. „Jede Form von Zentralismus gefährdet diese Entwicklung“.
These 3: Schulaufsicht und Schule haben das gleiche Ziel.
„Wir sollten uns immer wieder bewusst machen: Wir haben das gleiche Ziel – Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern und zu fordern, Schulabschlüsse zu ermöglichen, Anschlussfähigkeit zu sichern und sie für das Leben in Gerechtigkeit und Demokratie zu stärken“, sagte Wrede. Trotz des gleichen Ziel sollten unterschiedliche Wege möglich sein. „Vertraut uns einfach und unterstützt uns!“
Michael Okon-Gerling: Schulaufsicht als Begleiter
Der dritte Impuls kam von Michael Okon-Gerling. Er ist schulfachlicher Dezernent der Bezirksregierung Arnsberg in Nordrhein-Westfalen.
Zielvereinbarungen sind ein Mittel der Qualitätssicherung und -entwicklung.
Zielvereinbarungen begegnen ihm in seiner Arbeit bislang im Zusammenhang mit externen Evaluationen und in der Zusammenarbeit zwischen den schulfachlichen Dezernaten und dem Dezernat, das eigens für die Qualitätsanalyse zuständig ist. Zielvereinbarungen sind aus seiner Sicht „eine starke Säule, die unmittelbar in die Idee der eigenverantwortlichen Schule und der neuen Rolle der Schulaufsicht hineingehört.“
Wirksamkeit und Akzeptanz von Zielvereinbarungen
Zielvereinbarungen brauchen klare Indikatoren für die Erreichung der Ziele. „Der Referenzrahmen Schulqualität ist dabei unser definierter Handlungsrahmen, auf den ich mich beziehe“, sagte Okon-Gerling.
Alle LiGa-Schulen seien bei ihren Entwicklungsvorhaben so aufgestellt: „Sie haben ihre Projektpläne und sie haben ihre Indikatoren. So muss Schule arbeiten – und so müssen wir als Schulaufsicht arbeiten, wenn wir was erreichen wollen. Die Schule setzt sich innerhalb des Rahmens ihre eigenen Ziele. Und wir beraten, begleiten und unterstützen sie.“
Er habe das Gefühl, dass er nicht Aufträge verteile, sondern eher Aufträge aus der Schule mitnehme. „Die Schulen sagen mir, wo ich unterstützen kann. Sei es beim Thema Personal, Schulträger oder wo auch immer gerade Bedarf besteht. Meine Rolle besteht darin, den Schulen Wege zu zeigen, Partner zu vermitteln, Netzwerke zu spinnen. Und dann gelingt es auch!“
Alle Ganztagsschulen leben von Kooperation, Transparenz und Partizipation. Gleiches gilt auch für die Vereinbarung von Zielen. Es ist ein gemeinsamer Prozess, die Zielvereinbarung zu erstellen, die Ziele regelmäßig zu überprüfen und mit dem Schulprogramm und Leitbild abzugleichen. Die Maßnahmen, die in der Zielvereinbarung stehen, müssen so konkret wie möglich und im Qualitätsrahmen verankert sein.
In der anschließenden Diskussion kristallisierten sich insbesondere diese Gelingensbedingungen heraus:
- Schulentwicklung braucht Zeit. Daher sollten die Beteiligten einen realistischen Zeitrahmen wählen und Teilziele vereinbaren. Handhabbar seien maximal drei Ziele.
- Zielvereinbarungen sollten dialogisch entwickelt werden. Partizipation führt zu Akzeptanz.