Schule als duales Betriebssystem – klassisch und agil

22.06.2022 - Müssen alle Schulen agil werden und alles anders machen? Keineswegs! Beim LiGa Open Air im Juni 2022 stellte Achim Hoelscher in seinem Workshop zu agiler Schulentwicklung das Modell des dualen Betriebssystems vor.

© Joerg Farys

Achim Hoelscher ist Schulentwicklungsberater und Trainer für Schulentwicklungsberatung bei der Bezirksregierung Detmold in Nordrhein-Westfalen. Aus seiner Arbeit mit Schulen weiß er: Es kann kein Zurück in die Schule vor Covid geben – stattdessen besteht nun die Möglichkeit, einen Kulturwandel zu gestalten. „Agilität ist der Kulturwandel, um sich schnell auf veränderte Bedingungen einzustellen und neue Strategien zu entwickeln“, betont Hoelscher. Auf gewisse Weise sind Schulen schon per se agil, doch es handelt sich dabei nicht um eine systemische Agilität, sondern eher um ein schnelles, lösungsorientiertes Handeln für den Moment, z. B. wenn ein akutes Problem gelöst werden muss. Ein agiles System umfasst jedoch mehr als das. Dazu gehört beispielsweise, Führung und Teamstrukturen in den Fokus zu nehmen und Kommunikationswege neu zu strukturieren.

Eine Organisation – zwei Systeme

Hoelscher stellt heraus, dass es nicht darum gehen kann, dass das System Schule sich komplett in ein agiles System verwandelt. Als hilfreiches Modell stellt er John P. Kotters duales Betriebssystem vor, das eine Organisation in zwei Systeme unterteilt (vgl. Kotter 2015):

Klassische Organisation

  • Aufgabe: Tagesgeschäft
  • klare Verantwortungsbereiche
  • Spezialistentum
  • hierarchische Organisation

Zweites Betriebssystem

  • Aufgabe: Innovation entwickeln und testen
  • mobilisierende Führung
  • Geschwindigkeit und Flexibilität
  • Übernahme von Verantwortung für neue Themenbereiche

„Es gibt Herausforderungen in Schule, die sich gut in einer klassischen Organisationskultur abarbeiten lassen“, erklärt Hoelscher. „Aber es gibt auch Bereiche, in denen das nicht funktioniert. Vor allem im Bereich der Unterrichtsentwicklung braucht es Beteiligung und verschiedene Expertisen.“ In diesem Bereich sei es daher wichtig, auf das zweite, agile Betriebssystem zu setzen.

Fünf Prinzipien des dualen Betriebssystems

Achim Hoelscher benennt in Anlehnung an Kotter fünf Prinzipien eines dualen Betriebssystems:

  1. Wichtige Veränderungen werden von vielen Mitarbeitenden aus allen Bereichen vorangetrieben – nicht nur von den üblichen Auserwählten.
  2. Es herrscht eine Haltung des Wollens – und nicht des Müssens.
  3. Der Antrieb kommt nicht nur aus dem Kopf, sondern auch aus dem Herz.
  4. Es findet viel mehr Führung statt – und nicht nur mehr Management.
  5. Es gibt eine untrennbare Partnerschaft von Hierarchie und Netzwerk – nicht nur eine optimierte Hierarchie.

Umsetzung in der Praxis

Idealerweise entstehen viele kleine professionelle Teams, die im Sinne der Zielformulierung Neues ausprobieren. Sie arbeiten in kurzen Planungs- und Handlungsintervallen, nutzen Feedback, Evaluation und konkrete Tools wie Scrum oder Kanban. Als konkretes Beispiel nennt Hoelscher eine Schule, die bei der Qualitätsanalyse hinsichtlich des Einstiegs in den Unterricht schlecht abgeschnitten hatte. Es haben sich einzelne Fachteam-Gruppen gebildet, die verschiedene Formate für den Unterrichtseinstieg ausprobiert und Lösungen gefunden haben.

Aus Hoelschers Sicht geht es im zweiten bzw. agilen Betriebssystem darum, Experimentierfelder zu schaffen, „in denen Menschen sich anders erleben, Erfahrungen machen, Wirksamkeit spüren und dadurch Veränderungen vornehmen können.“


Quellenangabe:
Kotter, John P. (2015): Accelerate: Strategischen Herausforderungen schnell, agil und kreativ begegnen. Vahlen Verlag.
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