Mobbing in Schule kompetent begegnen

02.07.2022 - Am 28. Juni 2022 widmete sich Wolfgang Kindler im Rahmen seines Mikro-Impulses dem Thema Mobbing in Schule und vermittelte wirksame Präventions- und Interventionsmöglichkeiten für einen adäquaten Umgang mit dieser Gewaltform.

Mobbing ist die häufigste Form von Gewalt an Schulen und birgt erhebliche Risiken für Betroffene. Doch obwohl es bei Weitem kein neues Phänomen darstellt, kursieren noch immer viele falsche und damit für alle Beteiligten schädliche Vorstellungen davon, was Mobbing in der Schule eigentlich genau bedeutet. Wolfgang Kindler, ehemaliger Gymnasiallehrer und erfahrener Coach, vermittelte während seines Mikro-Impulses Hintergrundwissen zum Thema Mobbing und gab den Teilnehmenden wirksame Präventions- und Interventionsmöglichkeiten sowie hilfreiche Anregungen zur Entwicklung eines professionellen Konfliktverhaltens an die Hand.

 

MOBBING – WAS IST DAS EIGENTLICH?

Zur Definition von schulischem Mobbing und dessen Abgrenzung von anderen Gewaltformen wird in der Fachliteratur häufig ein lang andauernder Zeitrahmen als Kriterium herangezogen. Als langjähriger Akteur auf dem Gebiet der Gewaltprävention plädiert Kindler jedoch dafür, vermehrt die Intensität der Übergriffe, statt allein die Dauer der Gewaltausübung in den Blick zu nehmen. Demnach definiert er Mobbing als „eine Gewaltform, in der das wiederholte Erleben von Hilflosigkeit als Reaktion auf schädigende Verhaltensweisen beim Opfer, den Mobbenden und letztlich auch bei scheinbar Neutralen den Prozess der Rollenübernahme hervorruft”. Damit betont der Referent sehr bewusst, dass schulisches Mobbing nicht nur die Beziehungen zwischen Täter(n) und Opfer(n) umfasst, sondern auch Unbeteiligte miteinschließt. Diese Gewaltform kann daher erhebliche Auswirkungen auf das Sozialgefüge und Lernen der gesamten Klasse haben. Das viel diskutierte Cybermobbing könne dabei kaum gesondert betrachtet werden, so der Impulsgeber. Denn die digitalen Medien spielen heute fast immer eine zentrale Rolle als Angriffswerkzeuge und verstärken so häufig die Wucht der Übergriffe.

 

GRÜNDE UND FOLGEN VERSTEHEN

Um als Lehrkraft und Schule kompetent auf Mobbing reagieren zu können, ist es Kindler zufolge wichtig, die Prozesse und Hintergründe genau nachzuvollziehen. Zu verstehen, warum jemand mobbt und wie es auf Betroffene wirkt. Täter:innen gehe es häufig um eine Überlegenheit und das Ausspielen von Macht, um entweder Selbstbestätigung zu erfahren und eigene Entwertungen zu kompensieren oder auch, weil das Opfer als Konkurrenz wahrgenommen wird. Betroffene haben dem Referenten zufolge sowohl mit psychischen Problemen wie Selbstzweifeln, Ängsten oder gar Suizidgedanken zu kämpfen, als auch mit langfristigen physischen Schädigungen. Kindler bekräftigt: „Mobbing macht krank!” Zentraler Auslöser sei dabei der Prozess der Rollenübernahme: Betroffene verinnerlichen ihre Opferrolle, während Mobbende ihre Täter:innenrolle einnehmen. So verfestigte sich die Gewaltausübung zunehmend. Anfangs Unbeteiligte werden zu Mittäter:innen oder hilflosen Zuschauer:innen, wobei es zur sozialen Isolation des Opfers kommt. Mobbing in der Schule habe demzufolge systemischen Charakter und könne durch seine Dauerhaftigkeit zur gelebten Normalität in der Klasse werden.

 

HINSEHEN STATT WEGSEHEN

Weil Mobbing als Verstoß gegen die Fürsorgepflicht auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, werden entsprechende Vorkommnisse in Schulen häufig verharmlost oder per se abgestritten. Zu den typischen Fehlern bei Verantwortlichen zählt Kindler zufolge auch die alleinige Konzentration auf die Täter-Opfer-Beziehung und das grundsätzliche Fehlen systematischer Prävention. Der Impulsgeber rief zu mehr Verantwortungs-übernahme bei Leitenden auf: Lehrkräfte und Schulleitungen dürften nicht einfach wegschauen. Stattdessen sollten sie Vertrauen zu ihren Schüler:innen aufbauen und Gewalt in Schule aktiv vorbeugen. Sollten bereits erste Anzeichen von Mobbing zutage treten, seien diese sofort zu unterbinden, bevor das Verhalten habitualisiert werde. Als konkrete Präventions- und Interventionsmöglichkeiten schlägt Kindler vor, das ernsthafte Gespräch zu suchen, verbindliche Regeln und Strafen festzulegen und Trainings für Klassen anzubieten, um direkt mögliche Ursachen herauszufinden und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

DIE WICHTIGSTEN ZUTATEN

Die zwei unverzichtbaren Grundbedingungen und „Anstoßkugel”, um Mobbing in Schule kompetent zu begegnen, fasste Kindler zum Abschluss wie folgt zusammen:

  • WILLE  – Mobbing nicht einfach hinzunehmen oder kleinzureden. „Gestalten statt verwalten“, indem beispielsweise ein gutes Sozial- und Wohlfühlklima an der Schule geschaffen wird. Das WIR stärken und gemeinsam gegen Mobbing vorgehen.
  • INFORMATION – Die Frage sollte lauten: Welche Möglichkeiten sehen WIR als Schulgemeinschaft zu intervenieren? Was ist machbar angesichts der individuellen, strukturellen oder auch finanziellen Lage? Wie können die Schüler:innen in den Prozess bestmöglich miteinbezogen werden?
  • BILANZ ZIEHEN – Mobbing muss beendet und kann nicht geschlichtet werden. Dies kann nur gemeinsam gelingen. Diesen Grundkonsens vorausgesetzt, müssen individuelle Maßnahmen und Handlungspläne in der Schulgemeinschaft erarbeitet und umgesetzt werden.

Entlassen mit diesen wertvollen Hinweisen waren sich die Teilnehmenden im anschließenden Austausch einig: „Prävention vor Intervention!” Verantwortliche seien unbedingt dazu angehalten, kompetent und bestimmt zu handeln, noch bevor es zu einer anhaltenden Gewaltausübung kommen kann. Eine Schulsozialarbeiterin merkte in diesem Kontext an: „Vorbild sein, sagt mehr als tausend Worte” – und empfahl bei weniger gravierenden Fällen die Vorgehensweise des „no blame approach”, um Mobbing schnell und nachhaltig entgegenzutreten. Auch der vom Impulsgeber vorgeschlagene Ansatz, Paten für Betroffene auszubilden, statt Streitschlichter einzusetzen, traf auf großes Interesse. Denn, so der zweite Konsens: „Mobbing kann nicht geschlichtet werden – Mobbing muss beendet werden.”


Die Reihe „Mikro-Impulse” ist ein Angebot von „LiGa – Lernen im Ganztag” Sachsen-Anhalt und bietet in einem knackigen Format (30 min Impuls und 15 min Austausch) Anregungen, praktische Ideen und Umsetzungsbeispiele rund um die Themen Schule, Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie Ganztag.

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