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Zusammenarbeit mit Eltern gelingend gestalten
17.11.2022 - Beim ersten Mikro-Impuls nach den Sommerferien am 11. Oktober 2022 stellte Matthias Bartscher die Grundlagen erfolgreicher Bildungs- und Erziehungspartnerschaften vor und bot inspirierende Perspektiven, um die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Eltern neu zu denken.
Wie eng hierzulande Bildungserfolg und familiäre Herkunft zusammenhängen, zeigen die einschlägigen Schulleistungsstudien stets aufs Neue. Daher ist die Kooperation mit Eltern einer der wichtigsten Schlüssel für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Beim Wiedersehen nach der letzten Ausgabe vor den Sommerferien beschäftigten sich die Teilnehmenden des Mikro-Impulses daher mit dem Thema „Essentials des professionellen Handelns in der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft”. Hierzu gab der Diplompädagoge, systemische Berater und Buchautor Matthias Bartscher wertvolle Einblicke in seinen Wissensschatz, welcher sich auf Jahrzehnte der praktischen und theoretischen Auseinandersetzung stützt. In seinem Impuls stellte er die zentralen Qualitätsmerkmale der schulischen Kooperation mit Eltern vor und zeigte auf, mit welchen Ideen und Lösungsansätzen gelungene Bildungs- und Erziehungspartnerschaften entwickelt werden können.
Zeit für Veränderung
„Die Kinder, für die dieses Schulsystem erfunden wurde, gibt es nicht mehr”, zitierte Bartscher den Neurobiologen Gerald Hüther zu Beginn seines Vortrags. Und er fügt hinzu: „– die Familien auch nicht.” Das deutsche Schulsystem sei schon seit längerem in der Krise und bedürfe einer grundsätzlichen Reformation. „Es gibt zwar viele Reformen, aber nur wenige, die wirklich relevante Knackpunkte treffen”, so Bartscher. Das betreffe nicht zuletzt auch die Kooperation zwischen Schulen und Eltern. So lägen mit verschiedenen theoretischen Arbeiten zum Thema bereits zahlreiche nützliche Ausfertigungen an Qualitätsstandards für schulische Elternarbeit vor, allerdings hapere es an der Umsetzung: „Man weiß zwar, wie es geht, aber die meisten Schulen tun sich schwer, diese Punkte umzusetzen”, erklärte der Impulsgeber.
Potentiale erkennen
Dabei machten Studien die hohe Bedeutung familiärer Faktoren für den Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen immer wieder deutlich. Und neben den unveränderlichen soziodemografischen Variablen eröffnet das „kulturelle Kapital der Familie“, Bartscher zufolge, großes Potential für die schulische Kooperation. Denn dass das heimbasierte Engagement von Eltern nicht nur die Noten der Schülerinnen und Schüler verbessert, sondern nachweislich die Leistung und den Lernerfolg erhöht, bedeute für gelingende Bildungs- und Erziehungspartnerschaften auch, dass Eltern in der Schule Unterstützung erhalten sollten, wie sie ihre Kinder zuhause gut unterstützen können. Dafür wiederum sollten schulische Fachkräfte auch eine Vorstellung davon haben, wie der Bildungsort „Familie” im Idealfall gestaltet sein sollte: „Es geht nicht um Hausaufgaben”, schickte der Referent dabei vorweg. Wichtig sei vor allem eine ressourcenorientierte und positive Beziehung zwischen Eltern und Kind und ein guter familiärer Rahmen, der eine angemessene Medienkontrolle und -nutzung sowie Entspannung und anregende Impulse miteinschließt. Außerdem sprach sich Bartscher für einen autoritativ-partizipativen Erziehungsstil aus, der als Spagat zwischen liebevoller Zuwendung sowie Klarheit und Strenge zu charakterisieren ist: „Wenn Eltern diese Mischung hinbekommen, lernen Kinder besser. Und dabei kommt es nicht auf Perfektion an!”, so der Referent.
Eltern mit Empathie begegnen
Damit Angebote zur Stärkung des heimbasierten sowie schulischen Engagements von Eltern gewinnbringend gestaltet werden können, rät der Impulsgeber dazu, zunächst die Situation und Lebensbedingungen der Familien nachzuvollziehen. Dazu gehöre es, sich von dem alten “Vater-Mutter-Kind”-Familienmodell zu lösen: „Das ist ein gesellschaftliches Normativ, an dem die meisten Eltern scheitern”, so Bartscher. Außerdem sei es hilfreich, sich vor Augen zu führen, unter welch enormen Druck Eltern heutzutage stehen. Die Frage nach der Kindererziehung gleiche aktuell „einem Schlachtfeld unterschiedlicher Ratgeber und einem Terror an Impulsen” – kein Wunder also, dass Eltern stark verunsichert seien und womöglich aus Angst vor Konkurrenzdruck den Elternabend scheuen, so der Referent. Ganz entscheidend für eine gelingende Zusammenarbeit sei es deshalb, Eltern empathisch und wertschätzend zu begegnen, denn „Vertrauen braucht unbelastete Erstkontakte”, rät Bartscher. Insbesondere bei problematischen Fällen sei die Beziehungsorientierung am Anfang ausschlaggebend.
Fremde Lebenswelten verstehen
Als Ansatzpunkt für den „schulischen” Blick auf Eltern und Familien stellte Bartscher die Ergebnisse verschiedener Sinus-Milieu-Studien vor. Denn die Annahme der „schwer erreichbaren Eltern” hält er, mit Verweis auf Alexei Mededev, für einen Mythos – vielmehr fehlten die Instrumente, um bestimmte Eltern zu erreichen. Mit den Sinus-Milieus seien neben sozialer Lage und Werteorientierung auch die Grundausrichtung in den Erziehungsstilen zu erklären und Menschen mit Migrationshintergrund würden vielmehr als Teil dieser vielfältigen Gesellschaft verstanden werden können. Außerdem verdeutliche diese Perspektive, wie man selbst verschiedene Elternpaare wahrnimmt, wie sie sich gegenseitig wahrnehmen und wo man sich selbst verorten kann. So könne Fremdheit in verschiedene Richtungen gedacht werden und die Interkulturalitätsfrage so viel weiter gefasst werden als nur bezüglich Migration. Das helfe dabei, unterschiedliche Sympathien, aber auch intuitive Antipathien innerhalb der Elternschaft zu erklären und entsprechend zu berücksichtigen. Schließlich bestehe die Herausforderung gelingender Bildungs- und Erziehungspartnerschaften darin, „sich mit diesen fremden Lebenswelten zu verständigen, lösungsorientiert zu kommunizieren und Eltern dort zusammenzuführen, wo es nötig ist”, so Bartscher.
Zusammenarbeit professionell planen und gestalten
Was kann man also tun, um die Zusammenarbeit mit Eltern gelingend zu gestalten? Zum Abschluss seines Impulsvortrags fasste Bartscher noch einmal die wichtigsten Stellschrauben zusammen. Dazu gehöre etwa, das eigene Vorurteilsbewusstsein zu schärfen und ein neues Verständnis von Interkulturalität einzuüben, aber vor allem auch, Eltern als Beziehungspartner zu sehen, um Schülerinnen und Schüler gemeinsam in ihrer Schullaufbahn zu unterstützen. Als praktische Umsetzungsbeispiele nennt Bartscher außerdem eine zielgruppendifferenzierte Ansprache der Eltern, freudvoll gestaltete Mitbestimmungsgremien, die Kooperation und Vernetzung mit außerschulischen Akteuren und vielfältig gestaltete Bildungsangebote, bei denen man Eltern vermehrt Verantwortung übernehmen lässt. Für eine wirkungsvolle Kooperation zwischen Eltern und Schule sei schließlich „eine Professionalisierung nötig, die sowohl auf einer offenen Haltung als auch einer methodischen Kompetenz in der Beziehungsgestaltung und Strukturierung der Zusammenarbeit beruht”, resümierte der Referent.
Die wichtigsten Zutaten
Die zwei unverzichtbaren Grundbedingungen, die es braucht, um als Schule die Zusammenarbeit mit Eltern gelingend zu gestalten, fasste Herr Bartscher abschließend wie folgt zusammen:
SELBSTREFLEXION – Das heißt zunächst einmal auf sich persönlich zu schauen, wie man selbst mehr Spaß an der Arbeit hat und den Mut sich zu überwinden, wenn man auf Abwehr stößt. Elternarbeit als Lebensbereicherung sehen, um sich im System der Klassengemeinschaft wohler zu fühlen.
HALTUNG – Wo Kinder in ihrer Entwicklung gefährdet sind, die Zusammenarbeit als Chance und Lösungsansatz sehen. Das Potential der Elternschaft erkennen und diese mit ins Boot holen, um Krisen gemeinsam zu meistern.
Im anschließenden Austausch wurde außerdem deutlich, dass auch mit kleineren Ansätzen schon viel bewegt werden kann: „Jede Fachkraft kann morgen etwas anders machen!”, betonte der Referent. Wichtig sei vor allem eine offene Grundhaltung und die Bereitschaft, sich auf Eltern einzulassen. Bei der Zusammenarbeit mit Eltern aus verschiedenen Lebenswelten sollte man, dem Impulsgeber zufolge auch akzeptieren können, dass es keine Durchmischung in der Elterngemeinschaft geben muss und stattdessen über unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Gruppen nachgedacht werden sollte. Egal ob Helfer:in in der Fahrradwerkstatt, Lesepat:in oder als fachliche:r Expert:in im Unterricht: „Es lohnt sich, Eltern als Ressource zu sehen und so Leben in die Schule zu holen”, appellierte Bartscher.
Ein aufgezeichneter Impuls von Matthias Bartscher steht unter folgendem Link zur Verfügung: https://www.youtube.com/watch?v=7w-EvH7ixZ8&t=4s
Die Reihe „Mikro-Impulse” ist ein Angebot von „LiGa – Lernen im Ganztag” Sachsen-Anhalt und bietet in einem knackigen Format (30 min Impuls und 15 min Austausch) Anregungen, praktische Ideen und Umsetzungsbeispiele rund um die Themen Schule, Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie Ganztag.
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