Die erste Phase von „LiGa – Lernen im Ganztag“ endet zum Jahreswechsel. Dr. Petra Strähle betreut als Projektmanagerin bei der Stiftung Mercator das Programm und berichtet von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen aus der ersten Programmphase. Sie gibt zudem einen Ausblick auf die Schwerpunkte der zweiten Förderphase, die im Januar 2020 beginnt.
Wie hat „LiGa – Lernen im Ganztag“ die Qualitätsentwicklung an den teilnehmenden Ganztagsschulen unterstützt?
Petra Strähle: Ein zentraler Ansatz von „LiGa – Lernen im Ganztag“ war, dass sich die Beteiligten gemeinsam hinsetzen und überlegen konnten, welches Ziel sie an ihrer Schule erreichen möchten, welcher Qualitätsbereich für sie momentan am wichtigsten ist und weiterentwickelt werden sollte. Das kann jede Schule nur für sich beantworten, weil jede Schule an einem unterschiedlichen Punkt steht und unterschiedliche Prioritäten setzt. Die Schulen hatten drei Jahre Zeit, um ihr Entwicklungsvorhaben zu planen und umzusetzen. LiGa hat die Schulen bei der Konzeption dieses Entwicklungsprozesses sehr stark unterstützt und Change-Management Kompetenzen vermittelt, die nicht automatisch in den Schulen vorhanden sind – und auch meist nicht Teil der Ausbildung von Schulleitungen oder Schulaufsichten sind. Kurz gesagt: Das Gefäß und das Know-how für ein solches Change-Management, gepaart mit inhaltlichem Input zu Qualitätsmerkmalen wie individualisiertem Lernen – das ist es, was LiGa ausmacht.
Was hat sich durch „LiGa – Lernen im Ganztag“ aus Ihrer Sicht konkret verändert?
Petra Strähle: An vielen Schulen, die an LiGa teilgenommen haben, ist eine nachhaltige Entwicklung gelungen. Ich denke zum Beispiel an den innerschulischen Transfer. Es waren ja immer nur ein paar Mitarbeitende einer Schule an den schulischen Netzwerken beteiligt. Trotzdem ist es gelungen, in der Breite Veränderungen anzustoßen. Ein Ziel für jede einzelne LiGa-Schule war es, das individualisierte Lernen zu verbessern. Individualisiertes Lernen ist der Kern der Schulentwicklung und das hat ganz viel mit der Entwicklung jedes einzelnen Schülers zu tun und mit seiner Unterstützung. Die Schulen haben sich sehr unterschiedlichen Konzepten und Maßnahmen gewidmet – von Lernzeiten über Lerncoaching bis hin zur Leistungsbeurteilung.
Aber das Besondere und Neue an LiGa war, dass die Schulaufsicht als wichtige Zielgruppe aktiv in das Programm eingebunden wurde. So konnten wir die Schulentwicklungsprozesse direkt mit der Steuerungsfunktion der Schulaufsicht verknüpfen. Dabei haben wir auch sehr viel über die Ebene und Arbeit von Schulaufsicht in den beteiligten Bundesländern erfahren. Zum Beispiel, wie ihre Zusammenarbeit mit Schulen funktioniert, wie ihr Arbeitsalltag aussieht oder unter welchen Bedingungen sie Schulentwicklung begleiten können. Teilweise ist dies nämlich recht schwierig, weil sie sehr viele Schulen betreuen.
Ich glaube, wir konnten der Schulaufsicht mit der Schulentwicklung in Netzwerken zeigen, dass dies auch ein Modell sein kann, wie sie selbst mehrere Schulen gebündelt bei der Schulentwicklung begleiten könnten. Dabei sind auch neue Tools zur Schulentwicklung entstanden. All das braucht weniger Ressourcen.
Warum hat die Stiftung Mercator sich entschieden, mit LiGa in eine zweite Programmphase zu gehen?
Petra Strähle: Zunächst ziehen wir eine positive Bilanz der ersten Förderphase. LiGa hat Neuland im Bereich Steuerung und Schulaufsichten betreten. Es war recht herausfordernd, erst einmal Zugang zu diesem Thema zu finden, die Bedarfe zu erkennen und dazu auch Unterstützungsmodule zu entwickeln. Da ist LiGa beachtlich vorangekommen und konnte mit den Akademien auch schon gute Angebote für die Schulaufsichten gestalten.
Bei einer Stiftungsförderung ist uns aber auch die Frage der Nachhaltigkeit sehr wichtig. Die zweite Phase hat daher vor allem zum Ziel, die bereits entwickelten Formate und Erkenntnisse, die an unterschiedlichen Punkten des Reifegrades sind, nicht einfach abbrechen zu lassen. Vielmehr wollen wir überlegen, wie das durch die Länder weitergeführt werden kann, indem es zum Beispiel Eingang in Weiterbildungskonzepte oder andere Unterstützungsformate von Ländern findet. Wie vielleicht auch Menschen, die im Rahmen von LiGa qualifiziert wurden, in einer bestimmten Form – zum Beispiel als Multiplikatoren – eingesetzt werden können. Und aus diesen Gründen hat die Stiftung Mercator eine Transferphase bewilligt.
Welche Schwerpunkte bekommt „LiGa – Lernen im Ganztag“ in dieser zweiten Phase?
Petra Strähle: Die Idee ist, dass die Länder in der zweiten Phase planen, welche Module und Ergebnisse aus der ersten Programmphase so wichtig und erfolgreich sind, dass sie diese gerne in die Landesstrukturen übernehmen möchten. Ein thematischer Schwerpunkt in der zweiten Phase ist der Bereich Steuerung und Schulaufsicht. Hier können noch viele Entwicklungsschritte gegangen werden. In LiGa I waren wir damit beschäftigt, Erkenntnisse zu sammeln – und mit der Entwicklungsarbeit an sich. Jetzt können wir aus allen Ländern die Früchte ernten und schauen, was an Ergebnissen und Erkenntnissen entstanden ist.
Für die staatlichen Strukturen ist es auch immer wichtig, dass klar herausgearbeitet wird, was eine Empfehlung, ein Leitfaden, ein Qualitätskriterium oder eine Gelingensbedingung ist. Daher wollen wir in LiGa II Expertinnen und Experten aus den Ländern für die Aufbereitung der Ergebnisse und eine weitere Zusammenarbeit hinzuziehen.
Was wird sich außerdem verändern?
Petra Strähle: Die Arbeit mit den Schulen wird es weiterhin geben, konzentriert sich jedoch stärker auf Modellnetzwerke. Die Konzepte, die in der ersten Programmphase entdeckt wurden, sollen weiter erprobt sein. Themenfelder sind das individualisierte Lernen im Ganztag, die Zusammenarbeit von Schulen und Schulaufsicht oder auch die schülerzentrierte Führung.
Länderübergreifend wird sich die Arbeit ebenfalls verändern. Es geht weniger um Austausch und Treffen, sondern mehr um Zusammenarbeit, Weiterentwicklung von Themen und Aufbereitung von Ergebnissen.
Sind alle, die in der ersten Programmphase teilgenommen haben, auch in der zweiten Phase dabei?
Petra Strähle: Mein Stand ist, dass voraussichtlich vier von fünf Ländern weiter bei LiGa dabei sein werden. Das sind aber erst einmal Absichtserklärungen und die Gespräche laufen. Lediglich NRW hat schon die Anträge fertig. Mit Schleswig-Holstein, Hessen und Sachsen-Anhalt gibt es intensive Gespräche. Berlin wird nach meinem Stand nicht dabei sein. Das Verfahren ist das gleiche wie in der ersten Förderphase. Ein Grundprinzip ist die Bedarfsorientierung und das Ansetzen an dem, was vorhanden ist, so dass man es gut und einfach ergänzen kann. Das war bei den beteiligten Schulen so – und das gilt auch für die Länder. Deswegen schreiben die Länder jeweils eigene Landeskonzepte, in denen sie die Ziele und Maßnahmen für LiGa in ihrem Land festlegen. Die Länder geben selbst Finanzmittel in das Programm. All dies trägt dazu bei, eine nachhaltige Verankerung zu bewirken. Und das ist es, was wir mit der Transferphase erreichen wollen.