Lernförderliche Kommunikation im Unterricht

20.01.2023 - Der letzte Mikro-Impuls im Jahr 2022 bot wertvolle Einblicke zum Thema lern-förderliche Kommunikation im Unterricht. Dr. Dennis Hauk stellte wichtige Aspekte eines guten Unterrichtsgesprächs heraus und lieferte Handlungsempfehlungen für die Praxis.

©Sandruschka/DKJS

Eine aufmerksame Schüler:innenschaft und eine anregende Arbeitsatmosphäre – das ist sicher ein weitverbreiteter Wunsch im Handlungsfeld Schule. Im Bestfall ist schließlich jede:r Schüler:in aktiver Teil des Unterrichtsgesprächs, in dem Ideen, Meinungen und Wissen in einem konstruktiven Dialog offen und kritisch miteinander ausgetauscht werden. Wie das gelingen kann, stellte der ehemalige Lehrer und wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Dennis Hauk von der Friedrich-Schiller-Universität Jena beim vergangenen Mikro-Impuls vor. Im Rahmen von Beratungen und Fortbildungen für Schulen und Lehrkräfte beschäftigt er sich schon seit längerer Zeit mit der Frage, wie Kommunikation im Unterricht lernförderlich gestaltet werden kann. In seinem Impuls vereinte er daher aktuelle Erkenntnisse aus der Unterrichtsforschung mit praktischen Handlungsempfehlungen und Tipps für die ersten Schritte in Richtung qualitätsvoller und schüleraktivierender Unterrichtskommunikation.

Nachteile einseitiger Kommunikation verstehen

Zu Beginn des Impulsvortrages stand zunächst die Frage nach den Merkmalen eines guten Unterrichtsgesprächs im Raum. Die Teilnehmenden sammelten gemeinsam verschiedene Aspekte, die von einer wertschätzenden Haltung bis hin zur Erzeugung von Resonanz reichten. Allerdings wirkte der Blick auf aktuelle Forschungsergebnisse vor diesem Hintergrund eher ernüchternd: „Aus dem Blick der internationalen Forschung ist länder- und fächerübergreifend das Initiation-Response-Feedback-Muster (kurz: IRF) die dominierende Interaktionsform im Unterricht”, so Dr. Hauk. Dieses Muster zeichne sich dadurch aus, dass die Lehrperson eine Frage stellt, ein:e Schüler:in eine sehr kurze und unspezifische Antwort gibt und sich das Feedback meist auf ein „richtig“, „falsch” oder „danke” beschränkt. „Schüler:innen werden pro Tag mit ca. 400 solcher Fragen konfrontiert; die Wartezeit, um auf Lehrerfragen zu antworten, ist kürzer als eine Sekunde und Schüler:innen-Antworten im Schnitt nur 1,3 Sekunden lang”, fasste Hauk die aktuelle Faktenlage zusammen. Und er betonte: „Zwar hat auch das IRF-Muster durchaus seine didaktische Relevanz, wenn aber das Unterrichtsgespräch ausschließlich auf dieser Art der Interaktion beruht, haben wir es mit einem wenig lernförderlichen Prozess der Unterrichtskommunikation zu tun”. Besonders problematisch sei dabei, dass sich dieses Muster durch die häufigen Wiederholungen derart verstetigt, dass Schüler:innen genau wissen, wann sie wie zu reagieren haben – und alles andere kaum aufgenommen wird.

Neues wagen: Das eigene Frageverhalten optimieren

Zwar wünschten sich, dem Impulsgeber zufolge, viele Lehrende eine stärkere Öffnung der Unterrichtskommunikation, seien aber oft aber nicht in der Lage, solche Veränderungen anzustoßen. Entsprechend fokussierte sich Herr Dr. Hauk im weiteren Verlauf seines Impulses auf konkrete Handlungsempfehlungen, die sich auf empirisch gesicherte Forschungsergebnisse stützen. Hierzu zähle zunächst, das eigene Frageverhalten in den Fokus zu nehmen. Dabei helfe etwa der sogenannte „Drei-Schritt”: ‘Kenne deine Frageintention, plane deine Antwort und höre zu’. Wie der Referent betonte, sei das zwar nicht bei allen Fragen notwendig, aber bei den zentralen in jedem Fall. Denn insbesondere die Intention der Frage sei manchmal gar nicht existent oder beschränkt auf Präkonzepte und geschlossene Wissensfragen. Stattdessen wäre es ratsam, etwa auch einmal das Verstehen zu adressieren, in dem nach Erklärungen für Zusammenhänge gefragt wird oder aber Fragen zu stellen, die Fähigkeiten, Ideenentwicklung oder Begründungen in den Blick nehmen. „Es ist auch durchaus legitim, unabhängig von fachlichen Zielen, möglichst viele Lernende durch das eigene Frageverhalten aktivieren zu wollen”, appellierte Hauk. Schließlich erreiche man vor allem mit einer großen Variation im Frageverhalten, einer guten Vorbereitung auf mögliche Schüler:innen-Antworten und aktivem Zuhören auf Qualitätsebene ein viel lernförderlicheres Gespräch.

Gesprächsfördernde Strategien und Methoden nutzen

Um Schüler:innen aktiv am Lernen und am Lerngespräch teilhaben zu lassen und nicht nur als Stichwortgeber:innen für den Vortrag der Lehrkraft zu verstehen, rät Dr. Hauk außerdem zur Nutzung entsprechender Strategien und Methoden. Insbesondere in der amerikanischen Forschung seien hierfür bereits besonders wirksame „Talk Moves” und „Talk Formats” erarbeitet worden. Bei den „Talk Moves” handelt es sich um Unterstützungsstrategien bei der Gesprächsführung mit Schüler:innen: „Das sind kurze Impulse, die Lehrpersonen im Unterrichtsgespräch geben können, um ein stärkeres Gespräch in der Klasse anleiten zu können”, so der Referent. Besonders effektiv sei zum Beispiel das „Nachbohren” (z.B. „Kannst du noch mehr darüber sagen?”), das Einfordern von Begründungen, das Vernetzen von Ideen (z.B. „Was hältst du von Toms Idee?”) und die Aufforderung zum Wiederholen von Gesagtem. Um die Qualität der Antworten zu verbessern, solle man außerdem mindestens drei Sekunden auf Antworten warten: „Schüler:innen mehr Zeit zu geben, über die Frage nachzudenken, hat einen sehr nachhaltigen Effekt”, so Hauk. Neben derlei Strategien können aber auch sogenannte „Talk Formats” eingesetzt werden: „Das sind gesprächsfördernde Methoden, um lernförderliche Gesprächssettings im Unterricht zu schaffen”, erklärte der Impulsgeber. Besonders zu empfehlen seien etwa die „Think-Pair-Share”-Methode, rotierende Partnergespräche, eine Meldekette oder die „Außenseiter”-Methode, die auf das Begründen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden ähnlicher Objekte abzielt.

Übung macht den Meister

Wer sich angesichts dieser Empfehlungen um vermehrte Störungen im Unterricht oder eine Überforderung der Lernenden sorgt, sei nochmals zur Geduld aufgerufen: „Einige Kommunikationsmuster sind auch für Schüler:innen erstmal ungewohnt – das braucht Übung!”, betonte Dr. Hauk. Um neue Gesprächsmodi zur Routine werden zu lassen, könnten dem Referent zufolge aber klare Gesprächsregeln oder auch moderierende und gesprächsreflektierende Aufgaben für Schüler:innen hilfreich sein. Zudem müsse die Lehrkraft auch nicht sofort „die ganz große Diskussion” anstreben: „Fangen Sie klein an und bauen Sie erst einmal kleine Elemente abseits der typischen Kontrollfragen in Ihren Unterricht ein”, empfiehlt der Impulsgeber. Denn wichtig sei vor allem eine stärkere Kommunikation abseits der häufig einseitigen Lehrenden-Lernenden-Interaktion. „Um alte Muster aufzubrechen, braucht es ganz viel Sensibilität und Training – aber es lohnt sich!”, resümiert Hauk.

Die wichtigsten Zutaten

Die drei unverzichtbaren Grundbedingungen sowie die Anstoßkugel, die es braucht, um lernförderliche Kommunikation im Unterricht gelingend zu gestalten, fasste Dr. Dennis Hauk zum Abschluss schließlich wie folgt zusammen:

ÜBERZEUGUNG – An allererster Stelle braucht es die Überzeugung und Haltung von Lehrkräften, dass ein Dialog etwas Lernförderliches ist, etwas, das den Unterrichtsprozess vorantreiben kann und dass das Lernen in den Fokus rückt. Sehen Sie die Schüler:innen nicht nur als Stichwortgeber:innen.

HANDWERKSZEUG – An zweiter Stelle braucht es für alle Beteiligten die Befähigung dazu, ein Gespräch führen zu können, in dem Ideen entwickelt werden, man miteinander und voneinander lernt, die richtigen Fragen stellt, Dinge hinterfragt und den gemeinsamen Lernprozess wertschätzt. Niemand wird mit den perfekten „Talk Moves“ geboren. Scheuen Sie sich nicht, dazuzulernen und unterstützen Sie den Lernprozess Ihrer Schüler:innen.

ANFANGEN – Schlussendlich steht dann die Überlegung im Raum: „Wo kann ich anfangen?“. Die Antwort ist recht einfach: Wo ist egal, einfach beginnen ist die Devise! Bereits kleine Veränderungen können viel Positives für das Lernen, aber auch für das gesamte Sozialgefüge der Klasse bewirken. Denken Sie z.B. an die „Drei-Sekunden-Regel” und probieren Sie diese einfach mal aus.

Im gemeinsamen Austausch während und nach dem anregenden Impuls von Herrn Dr. Hauk war zudem noch viel Raum für einen dezidierten Blick sowohl auf das erforderliche Handwerkszeug als auch die nötigen Überzeugungen. Denn die verbal vorgestellten Methoden und Strategien wurden den Teilnehmenden auch direkt in ihrer praktischen Umsetzung vor Augen geführt. So konnten durch das Initiieren gemeinsamer Ideensammlungen und zahlreicher geschickter Nachfragen des Referenten viele Aspekte und Details der Umsetzung lernförderlicher Kommunikation im Unterricht praxisorientiert diskutiert werden. Schlussendlich war man sich einig: Wichtig sei vor allem, Schüler:innen aktiv am Unterrichtsgespräch teilhaben zu lassen, die Relevanz ihrer Beiträge zu würdigen und eine entsprechende Wertschätzung auch immer wieder im gemeinsamen Dialog zum Ausdruck zu bringen.


Die Reihe „Mikro-Impulse” ist ein Angebot von „LiGa – Lernen im Ganztag” Sachsen-Anhalt und bietet in einem knackigen Format (30 min Impuls und 15 min Austausch) Anregungen, praktische Ideen und Umsetzungsbeispiele rund um die Themen Schule, Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie Ganztag.

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