Lerncoaching in der Praxis

01.11.2019 - Dokumentation des Workshops "Lerncoaching - Umsetzungsstrategien in der Praxis" bei der LiGa-Abschlussveranstaltung im September 2019.

© DKJS/Joerg Farys

Lerncoaching – was ist das eigentlich? Mit dieser Frage stieg Prof. Dr. Uwe Hameyer von der Universität Kiel in den Workshop „Lerncoaching – Umsetzungsstrategien in der Praxis“ ein. Der Workshop fand im Rahmen der länderübergreifenden LiGa-Abschlussveranstaltung am 24. September in Berlin statt. Im Vortrag und dem anschließenden Gespräch wurden die Kernpunkte dieses Beratungskonzepts herausgestellt und insbesondere die Rahmenbedingungen besprochen, die es braucht, damit Lerncoaching auch in der Praxis funktioniert.

Was ist Lerncoaching?

„Lerncoaching,“ das stellt Prof. Uwe Hameyer zunächst fest, „ist keine neue Didaktik, sondern ein vollständiger Prozess.“ Nach Hameyer findet dieser nicht – anders als der Begriff in der Schweiz verstanden wird – im Unterricht statt. Entsprechend kann Lerncoaching auch in der Jugendarbeit oder in der Arbeit mit Auszubildenden angewandt werden.

Wichtig sind dabei drei Kernpunkte:

  1. Im Zentrum des Prozesses steht immer das Selbstbild des Lernenden. Liegt ein (erfahrungsbasiert) negatives Selbstbild vor, dann braucht der Prozess entsprechend mehr Zeit.
  2. Wichtig ist daher ein positiver, lösungsorientierter Blick. Aussagen wie: „Ich habe gehört, dass du ein Problem hast. Lass uns mal Lerncoaching machen.“ sind nach Hameyer strikt untersagt. Stattdessen sollten Lehrende fragen: „Ist es okay, wenn wir einen Coach dazuholen?“ Statt Probleme zu betrachten werden Stärken in den Fokus genommen.
  3. Dritter Kernpunkt des Lerncoachings ist der Perspektivwechsel. Bevor eine Bewertung vorgenommen wird, wiederholt der Coach mit eigenen Worten, was er verstanden hat. Der besprochene Gegenstand wird so gemeinsam von mehreren Seiten betrachtet. Das Risiko von Missverständnissen wird auf diese Weise reduziert.

Voraussetzungen für Lerncoaching

„Ich brauche dafür doch eine Ausbildung! Ich kann doch nicht einfach loslegen“, merkte eine Workshop-Teilnehmerin an. „Ja“, bestätigt Prof. Hameyer. Ohne eine Qualifizierung geht es nicht. Daher sollten Lehrkräfte unbedingt Menschen mit entsprechendem Know-how hinzuziehen, beispielsweise Beratungslehrerinnen und -lehrer.

Ob die Einführung von Lerncoaching an einer Schule gelingt ist immer auch abhängig von der sozialen Situation in der Schule. Ein gesonderter Raum für Lerncoaching hilft – „aber das muss auch in der Schule verargumentiert werden können“, betont Hameyer. Es brauche Offenheit in der Organisation Schule.

Geduld und Kontinuität

Zudem braucht es bei der Einführung von Lerncoaching viel Geduld und Kontinuität. Die Lehrenden, die sich für Lerncoaching qualifizieren, sollten mindestens drei Jahre lang durchgängig an der Schule bleiben. „Erst dann ist Lerncoaching an Schulen etabliert“, sagt Prof. Hameyer. Echte Reformen seien sogar erst nach zehn Jahren zu erwarten. Auch innerhalb des Lerncoachings ist Zeit eine wichtige Ressource. Jeder einzelne Schritt würde Stunden dauern, gibt Hameyer zu bedenken.

Im Prozess des Lerncoaching muss Rollenklarheit herrschen. Der Coach muss nicht zwingend Lehrkraft in dem Fach sein, in dem das Lernproblem besteht. Aber es muss immer klar sein, in welcher Rolle die Lehrkraft gerade handelt: als Lehrkraft, die unterrichtet, bewertet und Inhalte vermittelt – oder als Coach.

Gelassenheit

Lerncoaching braucht Gelassenheit. „Das ist auch eine Typfrage“, meint Hameyer. Nehmen sich die Lehrenden zu viel vor und wollen mit dem Lerncoaching sehr schnell sehr viel erreichen, dann werden sie gehetzt und sind weniger gelassen. Als Coach müsse man es aber aushalten, dass man im Coaching noch nicht so weit gekommen ist, wie man es sich wünscht.

Leit-IDEEN – Impulse für Schulaufsicht und Schulleitung; Ausgabe 2/2019 „Lerncoaching“

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