Eine neue Rhythmisierung

04.11.2019 - Die Heinrich-Grupe-Schule (HGS) aus Grebenstein in Hessen ist LiGa-Schule. Als LiGa-Projekt hat sie sich die Konzeption von Lernzeiten vorgenommen und dabei gleich noch die Rhythmisierung des Schultages geändert. Auf welche Herausforderungen die Akteurinnen und Akteure stießen, erfahren Sie hier.

© DKJS / D. Ibovnik

Die erste Stunde beginnt um 7.25 Uhr. Viele Schülerinnen und Schüler müssen um 6.30 Uhr das Haus verlassen, um den Schulbus zu erreichen. Wenn man anderen Lehrerinnen und Lehrern oder Eltern außerhalb des Grebensteiner Einzugsgebietes davon erzählt, erntet man nur Kopfschütteln. Und Kommentare, wie: „Auf diese Schule würde ich mein Kind nicht schicken, wie kann denn um diese Uhrzeit ordentlich gelernt werden?“ Auch den Lehrerinnen und Lehrern fällt immer wieder auf, wie übermüdet viele Kinder zur ersten Stunde sind. Je älter die Schülerinnen und Schüler werden, desto schwerer fällt es ihnen, früh aufzustehen.

Bisher konnte die Schule aufgrund der unflexiblen Busfahrpläne am Nachmittag keine zeitlichen Veränderungen vornehmen. Doch jetzt ist es Herrn Reinemann, langjähriger Kollege an der HGS und zuständig für die Kommunikation mit den Busunternehmen, gelungen, eine weitere Rückfahrzeit um 15 Uhr auszuhandeln. Dies gibt der Schule die Möglichkeit, die erste Stunde erst um 8.15 Uhr beginnen zu lassen. Der Regelunterricht endet nur geringfügig später, nämlich für die meisten Schüler statt um 14.15 Uhr um 14.20 Uhr. Wie geht das?

Die Arbeitsgruppe, die sich mit der neuen Rhythmisierung befasste, erarbeitete folgendes Zeitraster:

Die Schülerinnen und Schüler haben jetzt zwar nicht mehr so oft nach der 6. Stunde Schulschluss, aber die 7. Stunde, nach der größtenteils der Unterricht zu Ende ist, endet nur 5 Minuten später als unser bisheriger Regelunterricht.

Förderband und offener Anfang

Die Schule öffnet jedoch nach wie vor ihr Pforten um 7.10 Uhr. Kinder, die noch nicht zu Hause gefrühstückt haben, bekommen hier kostenlos ein gesundes Müslifrühstück. In der Zeit von 7.30-8.10 Uhr finden nun Förderkurse statt, die bisher im Nachmittag lagen. Hierbei handelt es sich um Kurse wie LRS, Hausaufgabenhilfe, Leseförderung, Matheförderung Jg. 8 und der Förderunterricht Englisch, Mathe, Deutsch für Abschlussklassen sowie möglicherweise Ethik.

Der neue Vormittag ist nun nach dem Prinzip der Doppelstunden organisiert. Die korrekte Umsetzung der Pausenzeiten sollte dabei aber nicht vernachlässigt werden. Nach Hospitationen an Schulen in anderen Bundesländern und Schulvorstellungen im Rahmen des LiGa-Projektes kam die Idee auf, dass alle Schülerinnen und Schüler an drei langen Tagen in der Woche eine 45minütige SMARTIE-Zeit erhalten.

SMARTIE-Zeit und Pausen

SMARTIE steht für Sport/Spiel, Mittag, AGs, Ruhepause, Talentförderung, Interesse und Eigenständigkeit. In dieser Zeit kann gegessen werden, es können Hausaufgaben erledigt werden, es können einstündige AG-Angebote genutzt werden, die Sporthalle und die PC-Räume werden geöffnet –  die Schülerinnen und Schüler können also ihren Interessen im Rahmen der Schulordnung nachgehen. Es haben aber nicht alle Schüler gleichzeitig SMARTIE-Zeit. Während die Jahrgänge 5-7 in der SMARTIE-Zeit sind, haben die Jahrgänge 8 – 10 Unterricht und umgekehrt. Im Rahmen dieser Veränderungen fand eine Interessenabfrage sowohl auf Schülerinnen und Schüler- wie auch auf Lehrendenseite hinsichtlich möglicher einstündiger AGs für die Mittagszeit statt. Tolle Ideen wie Graffiti, 10-Finger-Schreiben oder die Schulhund-AG kamen auf, die jetzt umgesetzt werden sollen. AGs, die bisher zweistündig im Nachmittag lagen, können jetzt teilweise in die Mittagszeit fallen.

Auch die Pausenzeiten der zweiten Pause haben sich verändert. Die zweite Pause ist auf eine halbe Stunde verlängert worden, so dass für die Schülerinnen und Schüler, die in der SMARTIE-Zeit AGs besuchen möchten, genügend Zeit zum Essen bleibt. Durch das Doppelstundenprinzip lassen sich die 5-Minuten-Pausen zwischen den Einzelstunden einsparen.

Angebote während der SMARTIE-Zeit

Während der SMARTIE-Zeit wird es geschlossene Angebote geben. Hier müssen sich die Kinder verbindlich einwählen, wenn sie teilnehmen möchten. Die Angebote sind anwesenheitspflichtig und werden als AGs im Zeugnis ausgewiesen. Beispiele hierfür wären 10-Finger-Schreiben, Yoga, Tanzen, DELF. Teiloffene Angebote sind Angebote, die prinzipiell nicht anwesenheitspflichtig sind. Bei regelmäßiger Anwesenheit können sie aber als AG bescheinigt werden. Hier handelt es sich um Kurse wie Zeichnen, Badminton, Volleyball und Hausaufgabenhilfe. Offene Angebote sind beispielsweise der Ruheraum, Hausaufgabenraum, Spieleraum, PC-Raum und SMARTIE-Sport (analog zu Pausensport). Hier wird eine Aufsicht von Lehrerseiten gestellt aber es gibt keine konkreten Aufgaben für die Schülerinnen und Schüler.

Bei drei SMARTIE-Zeiten pro Woche sollen die Schülerinnen und Schüler mindestens ein offenes oder ein teiloffenes Angebot besuchen. Uns ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler diese Zeit als Entwicklungsmöglichkeit wahrnehmen und nicht ausschließlich „abhängen“. Sie sollen sich möglichst aktiv erholen, um anschließend wieder aufnahmefähiger für den regulären Unterricht zu sein. Um einen Überblick zu erhalten, welche Angebote die Schülerinnen und Schüler wahrnehmen und wo sie sich aufhalten, erhält jedes Kind einen SMARTIE-Ausweis, den es sich täglich abzeichnen lassen muss.

Angebotsstruktur im Entwurf

Da jede SMARTIE-Zeit die halbe Schülerschaft betrifft, braucht es entsprechend viele Angebote. Bislang sind bis zu 19 Angebote geplant. Die derzeitige Planung sieht folgendermaßen aus:

Erklärung:

  1.  Geschlossene Angebote (feste Einwahl)
  2.  Teiloffene Angebote (ggf. zeitlich geregelte Teilnahme)
  3.  Offene Angebote (Betreuung, derzeit Treff)

Fängt man einmal mit Veränderungen an, kommen viele weitere Aspekte hinzu, die in diesem Zusammenhang überlegt werden müssen:

Wie können gegebenenfalls noch mehr Kinder auf einmal verpflegt werden? Welche räumlichen Veränderungen sind notwendig? Welche außerschulischen Partner können mit ins Boot geholt werden? Welche Angebote können in der SMARTIE-Zeit gemacht werden? Welche Angebote müssen weiterhin im Nachmittag gemacht werden?

Zudem arbeitet die Schule auch weiterhin am bisherigen Schulentwicklungsziel Lernzeiten, die auch schon im Rhythmisierungsraster mitgedacht werden. Allerdings wird nun erst einmal die ganze Energie in das neue Rhythmisierungsprinzip gesteckt, damit im nächsten Schuljahr alles möglichst reibungslos beginnen kann. Ob sich die Überlegungen, Planungen und derzeitigen Vorstellungen mit den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern decken, wird eine Evaluation am Ende des nächsten Schuljahres zeigen.

Text: Claudia Dehne, Ganztagskoordinatorin der HGS

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