Die Börde-Schule in Klein Oschersleben, Sachsen-Anhalt, hat einen weiten Weg zurückgelegt. Alles begann 2015 mit einer schleppend verlaufenden Fusion zweier Förderschulen für lernbehinderte Kinder. Schulleiterin Silke Heick stand vor der großen Herausforderung, von beiden Schulen die funktionierenden Strukturen zu übernehmen und dennoch in etwas Neues zu überführen. Zuerst sollte die Rezertifizierung des Berufswahl-Siegels erfolgen, als Wunsch des Kollegiums aus Klein Oschersleben. Das Berufswahl-Siegel zeichnet Schulen aus, bei denen die Berufsorientierung zum Unterricht und zum Konzept der Schule gehören – auch in Form von Praktika und Projekten. Mit den neuen Strukturen der beiden fusionierten Schulen gestaltete sich die Rezertifizierung für einen Teil des Kollegiums als Neuland, da sie auf diesem Gebiet keinerlei Erfahrung hatten. „Da kam das Programm LiGa gerade zur rechten Zeit. Wir bekamen genau die Unterstützung, die wir brauchten“, sagt Schulleiterin Silke Heick. Im Juni 2018 erhielt die neue Börde-Schule das Zertifikat für das Berufswahl-Siegel mit voller Punktzahl – als einzige Schule im Bördekreis.
Vom Berufswahlsiegel zur Digitalisierung
„Das Entwicklungsprojekt Berufswahl-Siegel war ein voller Erfolg“, erzählt die Schulleiterin. „Es war eine ganz tolle Teamsache und hat uns unseren Schülerinnen und Schülern, aber auch externen Partnern nähergebracht.“ Bevor das eine Vorhaben vollständig umgesetzt war, widmete sich die Schule bereits dem nächsten Entwicklungsprojekt – der Digitalisierung. Schulleiterin Silke Heick wurde auf einem LiGa-Netzwerktreffen darauf angesprochen, ob sie nicht als nächstes in diese Richtung gehen wolle. Sie fand die Idee prima, obwohl sie nicht sicher war, in diesem Bereich die richtigen Kompetenzen zu haben. Was sie aber sicher wusste: Dieser Weg ist der richtige für ihre Schülerinnen und Schüler.
Sie besuchte zahlreiche Fortbildungen, las viel und nahm an der Führungskräfteakademie Sachsen-Anhalt 2017 teil. Aus dieser Veranstaltung ging das Fachnetzwerk „IT-Schulstrukturen gemeinsam entwickeln“ hervor. Silke Heick trat ihm mit ihrer Schule bei, um den Prozess digital vernetzten Lernens mit der Schülerschaft, den Lehrkräften und den Schulträgern gemeinsam zu gestalten und voranzubringen. „Und dann ging die Arbeit los“, erzählt Silke Heick. „Wir haben uns mit ganz vielen verschiedenen Schulen unterschiedlichster Schulformen vernetzt sowie mit der Schulaufsicht, den Schulträgern, mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, mit Lehrerinnen und Lehrern, mit IT-Firmen, mit medienpädagogischen Beratern und auch mit Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz und Finnland. Das Fachnetzwerk hat unter anderem Werkstätten, auch an meiner Schule, organisiert und dort gab es im Februar 2018 ein Schlüsselerlebnis für mich.“
Das Schlüsselerlebnis
Ein Kollege aus der Schweiz machte sich zur Aufgabe ein paar praktische Beispiele zur Programmierung des Roboters „Thymio“ mit Schulkindern durchzuführen. Diese Thematik wollte er mit Schülerinnen und Schülern der Börde-Schule umsetzen. Dabei sollen die Neugier, der Spieltrieb und die medienpädagogischen Kompetenzen der Kinder unterschiedlichster Altersgruppen gefördert werden. Es war beeindruckend wie die Schulkinder ohne jegliche Berührungsängste die Informationen aufsogen und umsetzten. „Solch eine Motivation und solch einen Ehrgeiz hatte ich bei meinen Kindern lange nicht mehr gesehen“, erklärt Silke Heick begeistert. „Sie wollten gar nicht mehr aufhören und lieber einen Bus später nach Hause nehmen. Der Computerraum sollte besser heute als morgen abgeschafft werden, damit so Geld für die wichtigen Dinge zur Verfügung steht – den Robotern.“ Der Startschuss war gegeben und auch das Kollegium wurde immer mehr einbezogen.
An der Börde-Schule gründete sich eine Steuergruppe, die sich zuerst dafür entschied, die Schulorganisation zu digitalisieren, da verschiedene Arbeitsfelder des Kollegiums, wie zum Beispiel der Gemeinsame Unterricht, Unterricht im Krankenhaus u.v.m. den Lehrkräften eine Arbeitserleichterung verschaffen sollte. Zeit- und ortsunabhängig konnten die Kollegen nun auf die organisatorischen Dinge zurückgreifen. Nach und nach führte die Schule die digitale Lernplattform „Moodle“ und später auch die digitale Notenverwaltung und Zeugniserstellung ein. Außerdem bekam die Börde-Schule über einen Verein ausrangierte Laptops unterschiedlicher Fabrikate und Alters zur Verfügung gestellt. Diese wurden mit einem finnischen Open-Source- und webbasierten Benutzer-, Geräte- und WLAN-Verwaltungssystem (PUAVO) bespielt. Hier können die Lehrkräfte auf über 100 Open-Source-Programme für unterschiedliche Altersgruppen zurückgreifen. Obwohl die Börde-Schule eine schlechte Internetverbindung hat, schreitet die Digitalisierung des Schulalltags mit großen Schritten voran. Das Kollegium, das aus unterschiedlichen Altersstrukturen besteht, ist mittlerweile sehr engagiert dabei, Alternativen zu suchen, wie sie auch ohne Internet digital arbeiten können. Mittlerweile gibt es QR-Code-Bücher und T-Shirts, auf denen man mit Argumented Reality die inneren Organe ansehen kann, die Einplatinencomputer Raspberry Pi und Thymio-Roboter und einiges mehr.
Weitreichende Veränderungen
„Es ist für mich extrem spannend“, sagt Silke Heick. „Vor zwei Jahren hatte ich kaum Einblick in dieses Thema und jetzt gehe ich in Gespräche mit dem Schulträger und Kolleginnen und Kollegen. Ich habe erkannt, dass medienpädagogische Kompetenzen eine weitere wichtige Kulturtechnik für alle Schülerinnen und Schüler geworden sind und in den Schulalltag implementiert werden müssen. Wir müssen unsere Schüler zukunftsfähig machen.“ Aus der Teilnahme an dem Programm LiGa ist an der Börde-Schule etwas Großes geworden. Mit dem Entwicklungsprojekt Berufswahl-Siegel entwickelte sich ein Team, das die Börde-Schule nachhaltig verändern möchte. „Mit Erfolg“, wie Silke Heick versichert.
„Die Außenwahrnehmung der Börde-Schule ist enorm gewachsen. Wir werden sehr oft als Berater angefragt. Im Unterricht arbeiten oft Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler als Team zusammen, wenn es um die Nutzung digitaler Medien geht. Kleine und große Fortbildungsgruppen sind entstanden. Es verändert sich mittlerweile auch die Ausstattung der Schule. Der Schulträger und der Förderverein investieren. Unsere Kommunikationswege haben sich verbreitert, beispielsweise über die Presse, Rundfunk und Radio. Die Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler außerhalb von Schule haben sich auch verbessert. Beim Pädagogik-Pitch in Sachsen-Anhalt haben wir den 2. Platz gemacht. Dies sogar als einzige teilnehmende Förderschule. Und unsere Schülerinnen und Schüler agieren als Fortbildner für Lehrerkräfte und andere Partner.“
Doch Silke Heicks Lieblingsthema ist und bleibt die Digitalisierung. Das wissen auch ihre Kolleginnen und Kollegen. Da wundert es niemanden mehr, wenn das obligatorische Nikolausgeschenk an das Kollegium im letzten Jahr aus einem Kabeletui und einem Reinigungstuch für Bildschirme bestand. An der Börde-Schule ist die Digitalisierung überall.