Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Blended Learning

19.08.2021 - Blended Learning - Vom Notfallkonzept hin zur gemeinsamen Unterrichts- und Schulentwicklung. Diesem Thema widmete sich die Spezialausgabe der Digitalen Denkfabrik am 14. Juli 2021.

© DKJS/Sandruschka

Damit schloss sich in dieser letzten Ausgabe vor den Sommerferien thematisch der Kreis zum übergeordneten Thema der Veranstaltungsreihe – der didaktisch sinnvollen Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht.

Die mittlerweile fünfte Ausgabe der Digitalen Denkfabrik bot den teilnehmenden Schulleitungen wie auch schulfachlichen Referentinnen und Referenten des Landes Sachsen-Anhalt – neben der erneuten Gelegenheit zum regions- und schulformübergreifenden kollegialen Austausch – als Besonderheit einen externen Impuls des niedersächsischen Lehrers und Referenten Hauke Pölert. Der Lehrer für Geschichte und Spanisch am Theodor-Heuss-Gymnasium in Göttingen (THG) beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Schul- und Unterrichtsentwicklung unter digitalen Bedingungen und stellte den Teilnehmenden das Konzept des „Blended Learning” in einer schulpraktischen Variante vor.

Blended Learning: Die Mischung macht’s!

„Wie soll Unterricht zukünftig gestaltet werden? In Präsenz, in Distanz – oder beides?” Pölert zufolge kommt es bei der Beantwortung dieser Frage vor allem darauf an, die Potenziale und Grenzen der verschiedenen didaktischen Konzepte zu erkennen, um schließlich die Vorteile bestmöglich miteinander zu kombinieren. Dabei sei es wichtig, analog und digital nicht als Gegensatz zu begreifen, sondern als ein „sowohl als auch”. Didaktik und Pädagogik seien zwar Ausgangspunkt aller Überlegungen zum Technikeinsatz, trotzdem gelte auch: „Nicht Pädagogik vor Technik, sondern Pädagogik mit Technik”, so Pölert.

So verfolgt auch das THG in Göttingen ein Medienkonzept, an dem alle Fächer beteiligt sind und welches den Schülerinnen und Schülern ein effektives und kreatives Lernen – auch unter Corona-Bedingungen – ermöglicht. Das Konzept des Blended Learnings wird hier als Chance für die langfristige Schul- und Unterrichtsentwicklung gesehen. Denn die konkrete Ausgestaltung der Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht kann, Pölert zufolge, auf ganz unterschiedliche Weisen methodisch geplant werden. Egal ob „Flipped Classroom”, „Rotationsmodell” oder „LPS-Methode” – wichtig sei, sich genau zu überlegen, was im E-Learning gemacht wird und wozu der Präsenzunterricht genutzt werden soll, um so die Potenziale beider Unterrichtsformate voll auszuschöpfen.

Schulentwicklung: Zusammenspiel verschiedener Bausteine

Im Rahmen des Blended-Learning-Konzepts sind neben der Unterrichtsgestaltung auch andere Bausteine, wie die Lehrerrolle, Raumkonzepte oder Prüfungsformate als zentrale Anknüpfungspunkte der Schulentwicklung zu beleuchten, so Pölert.

Ein entscheidender Punkt sei es beispielsweise, das gesamte Kollegium – von den Skeptikern bis hin zu den engagierten Innovatoren – mitzunehmen und auch eine Vielfalt an Herangehensweisen zuzulassen. Schließlich müsse die Entwicklung aus den Schulen selbst kommen, im Rahmen eines entsprechenden Fortbildungskonzepts zusammen und voneinander gelernt sowie Konzepte gemeinsam geplant und entwickelt werden. Am THG war der gelingende kollegiale Austausch – im Rahmen von Mini-Fortbildungen in der Mittagspause – wichtigstes Element auf dem Weg der gemeinsamen Schul- und Unterrichtsentwicklung.

Auch die Frage nach offenen Raumkonzepten und Möglichkeiten für freies Lernen müsse jede Schule für sich beantworten. Das THG Göttingen fand mit der Einrichtung eines zusätzlichen Lernstudios einen für sie passenden Mittelweg zwischen traditionellem Klassenraum und vollends offenem Raum. Jede Schule sei gut damit beraten, „die deutlich artikulierten Wünsche der Schülerinnen und Schüler wahr- und anzunehmen und zu schauen, was hier möglich ist“.

Nicht zuletzt sind im Zuge der Schul- und Unterrichtsentwicklung auch die Prüfungsformate als konstituierendes Element von Unterricht zu hinterfragen. Die Prüfungserlasse seien schließlich kein Grund, nicht auch auf verschiedene Medien zurückzugreifen und neue Formate für die Leistungsbeurteilung zu verwenden. So bieten zeitgemäße Varianten wie etwa eine Open-Book-Klausur die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler interessensgeleitet an selbstgewählten Themen arbeiten zu lassen – und zwar unter Nutzung des Schulbuches, Laptops oder auch Smartphones. Nicht in jeder Lernsituation brauche es auswendig gelerntes Faktenwissen, auch später im Beruf werde schließlich zum Nachschlagen oft das Internet bemüht. Wichtig sei die Verknüpfung und Anwendung von Wissen. Somit sollte bei solchen Lernformaten allein der Anspruch entsprechend im höheren Anforderungsbereich liegen. Auch Sören Messerschmidt, schulfachlicher Referent für Sekundar- und Gemeinschaftsschulen in Sachsen-Anhalt, rief in der anschließenden Diskussionsrunde dazu auf hier “mehr zwischen den Zeilen zu lesen”.

Verknüpfung von Präsenz und Distanz: Mehr als ein Notfallkonzept

Obwohl der Distanz- und Hybridunterricht durch die Pandemiesituation für viele Schulen gerade anfangs mit großen Herausforderungen und teils Frustrationen verbunden war, habe sich mittlerweile, so Pölert, für nicht wenige Schulen herauskristallisiert, dass die Erfahrungen mit den unterschiedlichen Unterrichtsszenarien auch als Chance zur Weiterentwicklung von Schule und Unterricht gesehen werden können. Das Konzept des Blended Learnings liefere, so der Konsens im abschließenden Austausch, natürlich kein Allheilmittel gegen alle aktuellen Herausforderungen, wie etwa die Gewährleistung der Unterrichtsversorgung. Denn „Blended Learning ersetzt nicht den Lehrer”, fasste es eine Teilnehmerin zusammen, aber etwa die Idee, beispielsweise Lernpfade zu öffnen, um auch lernschwachen Schülerinnen und Schülern passende Lernmöglichkeiten anzubieten, sei eine großartige Sache und riesengroße Chance. Die entscheidende Frage, so Pölert, ist es daher nun, wie man aus dem „Einfach machen” der Corona-Zeit zu einer reflektierten Auseinandersetzung darüber kommt, was beibehalten und was verändert werden sollte. Und dabei, so das Schlusswort des Referenten, gebe es kein „Muss”. Vielmehr sei jede Schule dazu angehalten individuelle Lösungen zu finden und diese am besten langsam und stufenweise umzusetzen.

Mehr zu Hauke Pölert und zu den verschiedenen Konzepten, z.B. als Mikro-Fortbildungen im Videoformat, gibt es unter: https://unterrichten.digital/

 

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