Agile Schulentwicklung im Blended-Learning-Format

19.12.2023 - Wie kann es gelingen, Schulentwicklungsprozesse mit Hilfe von Blended-Learning-Trainings zu gestalten? Karl Hosang gab im Rahmen des LiGa-Fachtages im September 2023 Einblick in seine Erfahrungen.

© DKJS/A. Weiland

Wie kann es gelingen, Schulentwicklungsprozesse mit Hilfe von Blended-Learning-Trainings zu gestalten? Karl Hosang – Lerndesigner und Berater, ursprünglich Physiker, Neuroforscher und Gymnasiallehrer – gab hierzu im Rahmen des LiGa-Fachtags „BEWEGEN – BEGEISTERN – BEWIRKEN am 19. September 2023 in Berlin Einblick in seine Erfahrungsschatzkiste und stellte den Teilnehmenden seines Workshops eine Step-by-Step-Anleitung zur eigenständigen Umsetzung eines solchen Formates vor.

Die Lebens- und Arbeitswelt im 21. Jahrhundert ist von enormen gesellschaftlichen Veränderungen sowie von hoher Komplexität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit geprägt. Was heute wichtig und richtig erscheint, kann morgen bereits obsolet sein. Wie kann unter solchen Bedingungen Schulentwicklung gelingen? Wie können Fortbildungen im schulischen Kontext zeitgemäß gestaltet werden? Und: Welche Kompetenzen und Haltungen sind hierbei gefragt?

 

Agilität als Schlüssel

In diesem Zusammenhang ist Agilität ein zentraler Begriff. Er kommt aus dem Unternehmensmanagement, gewinnt aber auch im Bildungsbereich und damit in Schulen an Popularität. Agilität beschreibt die Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Prozessen. Damit ist sie die höchste Form der Anpassungsfähigkeit. Worum es nicht geht, so Hosang, ist hingegen ein „höher, schneller, weiter“.

Agilität meint vielmehr eine Haltung und die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, wozu auch eine positive Fehlerkultur gehört.

Laut Hosang sind Schulen bereits per se agil, „da z. B. im schulischen Alltag vielfach kurzfristig auf Veränderungen oder Problemstellungen reagiert werden muss und/oder Schulentwicklungsprozesse grundsätzlich bei ‚laufendem Motor‘ stattfinden müssen“. Was häufig jedoch fehlt, ist ein systematisches Vorgehen. Dafür braucht es:

  • Prozesse, die das „Versanden“ verhindern
  • aktive Nutzung von Methoden und Werkzeugen (Visualisierung, Protokolle, Zeitdisziplin, Moderationstechnik usw.), um Verbindlichkeiten herzustellen
  • Transparenz über Rollen und Verantwortlichkeiten, um alle Beteiligten gleichermaßen abzuholen und im Prozess mitzunehmen

 

Ein möglicher Ansatz: Das Blended-Learning-Training

Schulentwicklungsprozesse können vielfältig umgesetzt werden. Eine Möglichkeit ist die Methode des Blended Learnings, mit der beispielsweise dem Kollegium die Arbeit im Homeoffice ermöglicht werden kann. Dabei geht es aber nicht nur um die simple Kombination aus Präsenz- und digitalen Lernen. Beim Blended Learning werden vielmehr die Vorteile und Stärken der jeweiligen Lernform verbunden und die jeweiligen Nachteile ausgeglichen.

„Im Fokus steht das aktive Lernen aller Beteiligten. Das heißt: Blended Learning kombiniert durch Übung und Erfahrung das Wissen mit dem Können und fördert damit den Kompetenzerwerb“, legte der Referent dar. Kennzeichnend ist der Wechsel aus Phasen des Selbststudiums, der Reflexion sowie des Transfers der realen Herausforderungen. Dies ermöglicht ein breites Spektrum an Lernmöglichkeiten, angepasst an die individuellen Lernzeiten, Lernwege, und Lerntempi.

 

Die Frage nach dem „Wozu?“

Bevor ein Blended-Learning-Training umgesetzt werden kann, gilt es zunächst folgende Überlegungen anzustellen bzw. sich die folgenden Fragen zu beantworten:

  • Welches Thema/welche Herausforderung soll bearbeitet werden?
  • Welche Zielgruppe ist angesprochen?
  • Welche Zielkompetenz sollen die Beteiligten am Ende erworben und welche Erfahrungen gemacht haben?

Insbesondere die Frage nach den Zielkompetenzen und Erfahrungen, die die Beteiligten im Laufe des Prozesses mindestens erworben und gesammelt haben sollen, ist im Zuge der Planung des Trainings entscheidend.

Denn das Erlernen neuer und/oder Ausbauen vorhandener Kompetenzen geht über das gewohnte „schulische“ Lernen auf den Ebenen der Wissensvermittlung hinaus. Denn, so Hosang: „Es geht ums ‚Learning by Doing‘ – und dies ganz gezielt in kleinen Etappen. Daher sollten sich die gewünschten Zielkompetenzen und Erfahrungen an einem Minimalstandard orientieren.“ Daneben ist es immer sinnvoll, Optionen der Vertiefung für besonders Engagierte mitzudenken.

 

Der Weg ist das Ziel

Sind alle Fragenzeichen gelöst und Zielkompetenzen und gewünschte Erfahrungen definiert, kann mit der Planung des Blended-Learning-Trainings begonnen werden. Das Training besteht aus den folgenden drei Schritten:

  1. (Online) Kick-Off
  2. E-Learning & individuelle Einarbeitung
  3. Live-Workshop (online oder Präsenz)

Um das Potenzial aller Phasen voll auszuschöpfen, muss klar sein, welche Inhalte, Aufgaben, Modelle und Gedanken besprochen werden sollen und welche Methoden, Materialien und Medien es hierfür jeweils braucht.

Agile Schulentwicklung im Blended-Learning-Format - Die drei Trainingsschritte von Karl Hosang

Die Kick-Off-Veranstaltung ist grundlegend als Online-Format angelegt und bündelt so vorhandene Ressourcen und Energien. Falls das Format im schulischen Kontext jedoch beispielsweise ohne externe Moderation auskommen muss, kann der Kick-Off auch in Präsenz gedacht werden. Wichtig: In jedem Fall sollte der Auftakt spannend und zielgerichtet gestaltet werden, um die Teilnehmenden für den weiteren Verlauf zu begeistern und die Schwelle der Bereitschaft zu durchbrechen. Die Kick-Off-Veranstaltung fungiert also als der sogenannte „Eisbrecher“.

Für die anschließende Phase der individuellen Bearbeitung eines Themas in E-Learning-Form können Materialien (Videos, Texte etc.) beispielsweise auf einer Lernmanagementplattform zur Verfügung gestellt werden. Zudem bilden ausfüllbare Vorlagen orientiert an agilen Methoden den roten Pfaden durch diese Phase. So hilft eine „Visionspyramide“ das Ziel des schulischen Entwicklungsvorhabens klar zu benennen. Anschließend ist es sinnvoll, das Ziel in kleinere Einheiten herunterzubrechen und Meilensteine zu definieren. Erst dann ist es geboten, Verantwortlichkeiten festzuhalten und eine Zeitschiene auszuformulieren.

 

Arbeit in (Lern-)Triaden

Um den Prozess in dieser Phase zu unterstützen, kann die Arbeit in Triaden sehr hilfreich sein. Dabei besteht eine (Lern-)Triade aus drei Personen, die jeweils unterschiedliche Rollen einnehmen:

  • coachende Person (A)
  • fallgebende Person (B)
  • beobachtende Person (C)

Während die coachende Person die fallgebende Person durch den Prozess führt (Ausfüllen der Arbeitsblätter), beobachtet Person C die Situation, macht sich Notizen und gibt am Ende Feedback, vor allem der Coachin bzw. dem Coach. Die Rollen werden innerhalb der Phase getauscht, so dass jede Person einmal jede Rolle eingenommen hat. Wichtig hierbei: Die drei Personen müssen nicht Teil derselben schulischen Arbeitsgruppe sein. Lohnend ist hier viel eher ein Mix.

Bearbeitet eine Person gerade die Neukonzeption von Materialien für das fächerübergreifende Lernen und eine andere Person ist für das Update des Ganztagskonzeptes zuständig, so fördert gerade diese Kombination den Austausch in den Triaden immens. Denn die fallgebende Person hat hier Raum und Gelegenheit, sich Feedback zur Idee und zum angedachten Prozess einzuholen: Ist das Ziel verständlich und konkret formuliert? Kann auch ein Außenstehender etwas mit der Vision anfangen? Sind alle Beteiligten in den Blick genommen? In der Lerngruppe ist der Ort, um auf diese Fragen eine Antwort zu erhalten.

Innerhalb der E-Learning-Phase sollten sich die Triaden im Bestfall zu jedem Arbeitsschritt, zum Bearbeiten jeder Vorlage einmal treffen. Und spätestens hier zeigt sich: Online ist dies terminlich oftmals besser zu organisieren und es braucht nicht erst einen Raum in der Schule, um sich zu besprechen.

Den Abschluss des Lernformates bildet der Präsenzworkshop. Hier ist Gelegenheit, in der Gesamtgruppe zu reflektieren und sich zu den Inhalten und Themen auszutauschen. Alle (Teil-)Gruppen/Lerngruppen haben hier die Möglichkeit, ihre Visionen und Ziele zu präsentieren und mit der Gruppe gemeinsam ihr Projekt beispielhaft durchzuspielen. Interaktion ist hier das Stichwort und macht das Blended-Learning-Training letztlich rund.

 

<< zurück zur Übersicht