Agile Methoden an Schule

05.07.2021 - Agile Projektmethoden für die Unterrichtsgestaltung nutzen? Wie das funktionieren kann, zeigten die Lehrerinnen Uta Eichborn und Petra Walenciak am 22. Juni 2021 im nunmehr 8. Mikro-Impuls – und der zugleich letzten Ausgabe vor den Sommerferien.

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In ihrem 30-minütigen Impuls zum Thema “Go with the flow – Oder: Warum agile Methoden an Schule Sinn machen”, stellten die beiden Lehrerinnen des Bonner Friedrich-List-Berufskollegs agile Methoden und ihre Potentiale für den schulischen Einsatz vor. Im Fokus standen dabei das sogenannte “Kanban Board” sowie das Rahmenkonzept “Scrum”. Denn diese bieten sich den Referentinnen zufolge nicht nur für einen ersten Einstieg in das agile Arbeiten an, sondern können hilfreiche Mittel zur Förderung aktuell und zukünftig benötigter Kompetenzen Lernender sein.

DEN WORKFLOW VERBESSERN: DAS KANBAN BOARD

Bereits der Einsatz eines „Kanban Boards“, einer visualisierten Einteilung von Aufgaben in die drei Kategorien „zu erledigen“, „in Bearbeitung“ und „erledigt“, kann laut Uta Eichborn essenzielle „21st Century Skills“ bei Schülerinnen und Schülern stärken. Durch seine Simplizität und klaren Regeln helfe das Board dabei, sowohl Kommunikationskompetenz zu fördern als auch die Selbstorganisation einzelner Mitglieder einer Lerngruppe zu unterstützen. Die Schüler:innen seien durch die Führung eines Kanban Boards dazu angehalten, selbst zu entscheiden: „Was ist der nächste logische Schritt? Welche Arbeit möchte ich heute erledigen?“ – das fördere in besonderem Maße auch die Verantwortungsübernahme von Schülerinnen und Schülern, so Petra Walenciak. Die Umsetzung im Schulkontext kann digital erfolgen oder als klassische, analoge „Post-It-Version“. Auch die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: mit dem einfachen und selbsterklärenden Board seien kleine Projekte genauso unterstützend zu begleiten, wie auch ganze Unterrichtsreihen oder etwa der Distanzunterricht.

„Wer Kanban bereits erfolgreich nutzt, kann daran ansetzen und ein ‘Ereignis’ einführen“, so Eichborn. Ereignisse sind fest ritualisierte Treffen aller Teammitglieder eines Projektes/einer Lerngruppe und fester Bestandteil vieler agiler Projektmethoden. Beim sogenannten „Daily Stand Up“ etwa, beantwortet jedes Mitglied innerhalb von fünf Minuten folgende – hier auf den Schulkontext angepasste – drei Fragen:

  1. Was habe ich in der letzten Stunde gemacht?
  2. Was werde ich in der heutigen Stunde tun?
  3. Welche Herausforderungen habe ich?

Den Referentinnen zufolge schafft man so Transparenz im Team, unterstützt den Einstieg ins Arbeiten und hält den Arbeitsfluss in Gang. Diese kurze Reflexion des Arbeitsprozesses lässt sowohl analog vor dem Board – im Sinne des Wortes „stand up“ im Stehen! – als auch – bspw. in Zeiten des Distanzunterrichts – digital via Videokonferenz realisieren.

SELBSTORGANISATION FÖRDERN: DAS RAHMENWERK SCRUM

Im zweiten Teil des Impulsvortrages stellten die Impulsgeberinnen das Rahmenwerk Scrum vor. Dieses aus der Wirtschaft stammende Vorgehensmodell des Projektmanagements zeichnet sich durch verschiedene Rollen, Ereignisse und Artefakte aus. Die zentrale Idee der Adaption für den Kontext Schule: die Schüler:innen übernehmen als Team die eigenständige Verantwortung für die Planung, Durchführung und Weiterentwicklung eines Projektes. Der Lehrer schlüpft in die Rolle des „Product Owner“ und gibt lediglich die Vision eines fertigen Endproduktes vor und steht im Prozess allein für Fragen zur Verfügung. Dadurch ist von den Schüler:innen besonders viel Selbstorganisation gefordert – eine Fähigkeit, die sich insbesondere während der Corona-Zeit als „Schlüsselfaktor für erfolgreiches Lernen“ dargestellt hat, so Walenciak. Aber das „Rahmenwerk gibt auch unheimlich viel Sicherheit, wenn Schüler in einem Projekt arbeiten sollen“, ergänzte Eichborn. Durch die ständige Wiederholung verschiedener Reflexionsprozesse entstehe außerdem eine positive Fehlerkultur, im Rahmen derer auch immer Raum für Veränderung und Verbesserung bleibe.

EINE FRAGE DER HALTUNG

Wichtig sei vor allem, dass Lehrkräfte lernen Verantwortung beziehungsweise den eigenen Hoheitsbereich ein Stück weit ab- und aufzugeben. Dafür bedarf es Walenciak zufolge einer entsprechenden persönlichen Haltung, die neben dem Unterricht und dem Verhältnis zu den Lernenden auch die Organisation Schule nachhaltig verändern kann. So haben die Referentinnen an ihrer Schule mit der Einführung agiler Methoden angefangen, einzelne Fächer aufzulösen. Dies sei etwas gewesen, „was ich gar nicht für möglich gehalten habe“, so Eichborn.

DIE WICHTIGSTEN ZUTATEN

Das Erfolgsrezept, um agile Methoden gelingend im Unterricht einzusetzen, fasst das Referentinnen-Duo schließlich folgendermaßen zusammen:

Salz – Die Haltung und Offenheit aller Beteiligten einen Weg zu gehen, bei dem es vollkommen normal und sogar gewünscht ist, auch Fehler zu machen. Denn allein aus Fehlern lernen wir und entwickeln uns sowie unser Vorhaben Schritt für Schritt weiter.

Und diese Schritte können klein, aber auch groß sein – ganz egal. Wichtig ist, dass wir beginnen zu laufen!

Pfeffer – Das Bewusstsein, dass wir in diesem Prozess nicht nur Verantwortung übernehmen, sondern im hohen Maße auch abgeben. Loslassen zu können, ist ein Schlüssel zum Erfolg!

Schokolade/ Sahnehäubchen – Die Fähigkeit, andere mit der Begeisterung für Neues anzustecken! Denn je größer die Gemeinschaft der Enthusiasten, umso nachhaltiger kann die (Schul-)Entwicklung im Ganzen vorangetrieben werden.

Wie nun aber starten? Hierauf gäbe es keine allgemeingültige Antwort. Es müssten zu Beginn aber auch nicht immer gleich die großen Schritte sein – ebenso könne klein anfangen werden. Entscheidend sei es, den Mut aufzubringen, neue Dinge auszuprobieren: „Also machen Sie doch morgen im Unterricht einfach ein Kanban Board!“, wandte sich Walenciak direkt an die Teilnehmenden.

Denjenigen, die mehr über den Einsatz agiler Methoden an Schule wissen möchte, sei Uta Eichborns Blog ans Herz gelegt: https://agileatschool.de/

Das Mikro-Impulsteam verabschiedet sich in die Sommerpause und freut sich auf eine Fortsetzung der Reihe ab Oktober 2021.

Die Reihe „Mikro-Impulse“ ist eine Kooperationsveranstaltung der Serviceagentur Ganztag Sachsen-Anhalt und „LiGa – Lernen im Ganztag“ Sachsen-Anhalt.

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