Lernen und Lehren für die Zukunft – was bedeutet das für Ganztagsschulen? Welche Fähigkeiten sind notwendig, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen? Wie gelingt lebensweltorientiertes und kollaboratives Lernen? Welche Rolle spielen Digitale Medien dabei? Zwei Gäste der universitären Übungsschule der Universität Helsinki stellten den Teilnehmenden der Programme „LiGa – Lernen im Ganztag“ Berlin und der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ am 5. Oktober 2017 in der WeiberWirtschaft zunächst das finnische System vor und diskutierten im Anschluss die aufkommenden Fragen.
Das Wichtigste ist das Vertrauen in Kompetenzen
Schulleiterin Marja Martikainen erläuterte zunächst das finnische Schulsystem und die Grundgedanken der finnischen Schulausbildung: Vertrauen, die Überzeugung, dass jede und jeder in irgendetwas gut ist und der Anspruch, die Kinder und Jugendlichen zu fördern statt zu kritisieren. Konkret ging es anschließend um die Aspekte Digitalisierung und kollaboratives Lernen im Unterricht. Dabei lenkte sie den Blick auf die neuen Lehrpläne. Es stehen nicht mehr einzelne Fächer im Vordergrund, sondern die Kompetenzen – bezogen auf unterschiedliche Kontexte. In Finnland gehe es darum, „das Lernen sinnvoller zu machen, neue Lernweisen zu ermöglichen und dabei jede Schülerin und jeden Schüler mitzunehmen“, betonte Marja Martikainen. Methoden und Medien würden so eingesetzt, dass sowohl individualisiert als auch in der Gemeinschaft gelernt werden kann.
Inklusion und individuelle Förderung
Peter von Bonsdorff, Sonderpädagoge und Koordinator des Lehramtspraktikums, berichtete vom finnischen Drei-Stufen Modell zur Inklusion. Zuerst ginge es darum, alle Schülerinnen und Schüler so zu fördern, wie sie es für ihren individuellen Lernweg benötigten. Darüber hinaus gäbe es stufenweise Unterstützungsangebote im fachlichen und bei Bedarf auch im sozial-emotionalen Bereich. Die Fördereinheiten sind fest in den Schultag integriert und von allen akzeptiert. Peter von Bonsdorff selbst unterstützt Schülerinnen und Schüler im Fach Mathematik. Ist die Fördersequenz vorbei, hört er nicht selten den Wunsch „Peter, lass uns noch mal Mathe machen!“
Fazit: Vertrauen als Basis schulischer Prozesse
Im Anschluss an die beiden Inputs diskutierten alle Teilnehmenden rege. Neben praktischen Fragen, etwa zum digitalen Dokumentationstool, war es vor allem der Aspekt der Förderung, der die Berliner Pädagoginnen und Pädagogen interessierte. Alle waren sehr beeindruckt von der Haltung der finnischen Gäste, dass Vertrauen die Basis für alle gelingenden gesellschaftlichen und damit auch schulischen Prozesse ist. Die Lehrkraft eines Gymnasiums brachte es auf den Punkt: „Es ist toll zu sehen, wie in Finnland auf die Schülerinnen und Schüler geschaut wird, so vertrauensvoll und persönlich. Gleichzeitig scheinen dort die Prozesse viel entspannter zu verlaufen. Es wird immer wieder innegehalten und der Sinn hinterfragt, und dabei nicht in Aktionismus verfallen.“