Um die Potenziale digital-vernetzten Lernens zu nutzen, muss die Arbeit mit digitalen Medien in das pädagogische und räumliche Konzept einer Schule eingebettet sein. Doch wie können kollaboratives und individualisiertes Lernen als wesentliche Elemente des digital-vernetzten Lernens in Bezug auf die Räume ermöglicht werden? Und welche Anpassungen können auf analoger und welche auf digitaler Ebene realisiert werden? Diesen Fragen widmete sich der Workshop „Digitale und analoge Lernräume zeitgemäß gestalten“, der im Rahmen der länderübergreifenden LiGa-Abschlussveranstaltung am 24. September 2019 in Berlin stattfand. Geleitet wurde er von Ylva Brehler-Wires (Deutsche Kinder- und Jugendstiftung). Die Impulse kamen von Milena Monssen vom Architekturbüro „die Baupiloten“ sowie Arne Sorgenfrei vom Kompetenzzentrum für Unterrichtsgestaltung in digitalen Zeiten, dem „digital.learning.lab“.
Partizipation als Schlüssel zum Erfolg
Für Milena Monssen ist eines ganz klar: Lebensorte wie Schulen benötigen mehr als reines Wissenslernen. Unterrichtsformen ändern sich und definierte Lernräume müssen aufgebrochen werden, um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden und Lehrenden gerecht zu werden. Um diese herauszuarbeiten, begleiten „die Baupiloten“ Schulen von Phase Null bis hin zur Neu- bzw. Umgestaltung ihrer Schulbauten. Ihre besondere Herangehensweise liegt darin, den Einstieg und Zugang über die individuellen Atmosphären einer Schule zu (er-)finden. So fragt Milena Monssen stets zu Beginn: „Wie soll sich eure Schule anfühlen? Was sind eure liebsten Lehr-/Lernpositionen und Arbeitsorte? Welche anderen Orte sucht ihr gern auf und was macht ihr dort?“ Die Expertise wird auf Seiten der Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, aber auch bei Eltern und außerschulischen Partnern gesehen. Sie werden neben den Bauherren am gesamten Prozess beteiligt. Der partizipative Prozess ist an dieser Stelle Schlüssel zum Erfolg. So können ein gegenseitiges Verständnis und eine gemeinsame Kommunikationsebene geschaffen werden, um festzulegen, wohin sich eine Schule entwickeln soll.
Kreative Spielräume eröffnen
Über ein eigens entwickeltes Schulvisionsspiel verbinden „die Baupiloten“ im Prozess die Atmosphären mit den Aktivitäten. „Schule aus einer anderen Perspektive – nämlich jener der gewünschten Atmosphären – zu denken, funktioniert an Schulen sehr gut“, berichtet Monssen. „Die andere Perspektive eröffnet neue, kreative Denkräume fernab von starren Systemen und (Raum-)Grenzen. Auf diese Weise kreieren wir beispielsweise auch in feststehenden Gebäuden neue Spielräume und vielfältige Doppelnutzungen.“ Damit räumt sie gleichermaßen mit den Vorbehalten auf, nur in neuen Gebäuden zeitgemäße Lehr- und Lernsettings realisieren zu können.
Das pädagogische Gesamtkonzept ist entscheidend
Kollaboratives und individualisiertes Lernen hängen jedoch nicht nur an den räumlichen Gegebenheiten.? Entscheidend ist nach Monssen auch die reale Schulkultur. Das zu Grunde liegende pädagogische Konzept, die eigene Haltung und Handlung müssen mit den neu eröffneten Möglichkeitsräumen einhergehen. Neben der fachlichen Qualifizierung sei es außerdem wichtig, einen Haltungswandel aller Beteiligten in Schule herbeizuführen. Dabei ist ein offener Entwicklungsprozess hilfreich. Auch in Bezug auf die Digitalisierung an Schulen sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden. Der Einzug digitaler Medien kann nach Auffassung von Arne Sorgenfrei vom „digital.learning.lab“ nicht als alleiniger Garant für veränderte Arbeitsformen gelten: „Digitale Lernwerkzeuge sind als Hilfsmittel zu betrachten, um in der Schule interessanter und vernetzter arbeiten und lernen zu können.“ Sie müssen allerdings klug in das pädagogische und räumliche Konzept integriert werden. „Es reicht nicht, jedem Kind ein Tablet und einen modischen Sitzsack zur Verfügung zu stellen und damit einer adäquaten Digitalisierung und Differenzierung gerecht werden zu wollen“, warnt Sorgenfrei.
Zukunftskompetenzen vermitteln
Das Hamburger „digital.learning.lab“ beschäftigt sich mit der Frage, was Unterricht in Zukunft leisten muss. Wie kann Lernen im 21. Jahrhundert aussehen? Welche Art von Unterricht und Schulkultur sind am besten geeignet, um Schülerinnen und Schüler auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten? Welche Qualifikationen müssen Schulen angesichts wegfallender Jobs und Gewerke vermitteln? Für Arne Sorgenfrei ist es besonders wichtig, die Schülerinnen und Schülern zu kritischem Denken anzuregen und ihnen kreative Lösungskompetenzen zu vermitteln. Er beruft sich dabei auch auf das „4K-Modell des Lernens“ (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken). Diese Fähigkeiten entsprechen keinen spezifischen Berufsbildern, sondern befähigen die Schülerinnen und Schüler, ihr Leben selbst zu gestalten.
Anregende Atmosphären an Schulen schaffen
Sorgenfrei schlägt vor, sich von Orten inspirieren zu lassen, die gar nichts mit Schule zu tun haben. Ein Beispiel dafür ist eine große amerikanische Kaffeehauskette: Dort bekommt das Individuum nicht nur sein Getränk, sondern vielfältige Sitzgelegenheiten – gepaart mit einer gut funktionierenden, digitalen Infrastruktur. Damit können flexible Settings ermöglicht werden, die zum alleinigen wie gemeinsamen Arbeiten, Verweilen und Austauschen einladen. Diese Idee lässt sich auch auf Schule übertragen. Ein digitaler Raum bietet die Möglichkeit, starre Konventionen zu überwinden und kreativen Denkansätzen zu folgen. Die Chance liegt in der pädagogischen und räumlichen Verknüpfung.
Das Kollegium weiterbilden
An der Hamburger Stadtteilschule Winterhude, an der Arne Sorgenfrei unterrichtet, wurde das Kollegium durch zwei große Fortbildungen sowie weiterführende interne Mikrofortbildungen auf den digitalen Wandel vorbereitet. Durch gezielte „Fortbildungssnacks“ in den Mittagspausen bekommen die Lehrenden stetige Impulse zur Weiterentwicklung. Der rege Austausch lässt die Thematik vor Ort aufleben. Die Schulleitung erkennt die Mikrofortbildungen stundentechnisch an.