Fachtag „Gute Führung für guten Ganztag“

13.12.2018 - Am 11. Dezember fand der länderübergreifende LiGa-Fachtag zum Thema „Gute Führung für guten Ganztag“ in Berlin statt.

© DKJS/B. Bernat

1, 2, 3, 4 und los geht’s: Der Rapper Christian Weirich, genannt Doppel-U, rappt zu Beginn der Veranstaltung den Erlkönig des Dichters Johann Wolfgang von Goethe. Gemeinsam mit über 80 Schulleitungen und Schulaufsichtsbeamten.

Lernen mit positiven Emotionen zu verknüpfen, das ist sein Konzept. Seit mehr als 15 Jahren bringt er Schülerinnen und Schülern alte Lyrik mittels Rap näher. Dass sein Ansatz auch Erwachsene begeistert, zeigt die Performance zu Beginn des Fachtags: Alle Teilnehmenden haben ein Lächeln auf dem Gesicht.

„Gute Führung für guten Ganztag“ – so lautet das Thema des länderübergreifenden LiGa-Fachtags am 11. Dezember in der Berliner Kalkscheune. Schon am Vorabend konnten sich die Teilnehmenden dem Thema annähern und lernten beim Besuch der Friedensburg-Oberschule das Schulmanagement-Konzept der Berliner LiGa-Schule kennen.

Internationaler Blick auf Ganztagsschule

Zum Fachtag begrüßen Dr. Petra Strähle von der Stiftung Mercator und Maren Wichmann von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) die Schulleitungen und Mitarbeitenden der Schulaufsicht. Sie betonen, das Thema „Qualität in der Ganztagsschule“ sei heute aktueller denn je – nicht zuletzt aufgrund der Diskussion um den Rechtsanspruch.

„Impulse von außen sind sehr wichtig für die Qualitätsentwicklung“, sagt Petra Strähle. Eine Exkursion von LiGa-Schleswig-Holstein führte im Mai 2018 nach Norwegen – und war so beeindruckend, dass Maren Wichmann die Schulleiterin Marianne Stenberg aus Oslo prompt zum Fachtag nach Berlin eingeladen hatte.

Student-Centered Leadership

„Das Wohlergehen und Lernen meiner Schülerinnen und Schüler gibt mir Energie“, sagt Marianne Stenberg, Schulleiterin der Majorstuen Schule Oslo. Die Schule stand vor zehn Jahren vor dem Aus – und kann sich heute vor Anmeldungen nicht mehr retten. In ihrer Keynote zum Thema „The Dimensions of Student-Centered Leadership“ stellt sie dar, wie sie diesen Wandel geschafft hat.

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„Allzu oft werden Schulleitungen abgelenkt“, sagt Stenberg. „Das Wichtigste ist der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Darauf sollte sich Schulleitung konzentrieren. Sprechen Sie mit Ihren Lehrkräften und arbeiten Sie mit ihnen. Versuchen Sie, den Lernerfolg auszuweiten.“ Das heißt auch, andere Aufgaben wie Infrastruktur oder Elternarbeit zu delegieren. Dabei bezog sie sich auf John Hatties Liste von „Ablenkungen“ (Politics of Distraction“), die Schulleitungen vermeiden sollten, und auf den „Student-Centered Leadership“-Ansatz der neuseeländischen Wissenschaftlerin Viviane Robinson.

Jede Schulleitung sollte sich die Frage stellen, was hochwertigen Unterricht an ihrer Schule ausmacht. Für ihre praktische Arbeit macht Marianne Stenberg sich nicht nur Robinsons Ansatz zunutze, sondern auch viele weitere wissenschaftliche Modelle und Ergebnisse. Dazu zählen beispielsweise die Zehn Merkmale guten Unterrichts der Universität Oldenburg.

„Liebe deine Mitarbeiter!“

Regelmäßige Unterrichtshospitationen in kleinen 2er-Teams und Feedbackinstrumente sind aus Sicht der Schulleiterin zentral, um die pädagogische Praxis zu überprüfen. Sie helfen auch, das Risiko eines persönlichen Scheiterns der Lehrkräfte zu reduzieren. „Ich mache es wie Sokrates und hinterfrage alles“, sagt Stenberg. „Wie können wir uns gemeinsam verbessern?“ Sie fordert die Lehrkräfte heraus – und befolgt gleichzeitig eines von Michael Fullans Six secrets of change. Dieses Geheimnis lautet: Liebe deine Mitarbeiter. „Ich arbeite wirklich sehr gerne mit meinen Lehrerinnen und Lehrern – und das spüren sie.“ Ein gutes Arbeitsklima sei wichtig, denn „culture eats strategy for breakfast“. Mit diesem Zitat von Peter Drucker brachte die Schulleiterin alle zum Schmunzeln.

Zum Abschluss des Vortrags empfiehlt sie: „Der Aufzug zum Erfolg ist außer Betrieb – bitte nehmen Sie die Treppe.“ Es gibt wohl kaum einen Teilnehmer, der sich nicht ausmalen kann, wie Marianne Stenberg mit ihrer Struktur und Leidenschaft schon viele Stufen erklommen hat.

Was ist gute Führung?

Anschließend stellen Prof. Dr. Stephan Gerhard Huber von der Pädagogischen Hochschule Zug und Prof. Dr. Uwe Schmidt vom Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung der Universität Mainz dar, wie aus ihrer Perspektive gute Führung gelingen kann und Führungskräfte Schulentwicklung fördern können.

„Schule ist kein Autokonzern“, betont Prof. Dr. Stephan Huber. „Eine Rückrufaktion zum Austausch des defekten Teils ist hier nicht möglich.“ Deshalb kann Führung auch schnell unangenehm werden, wenn die Qualität nicht stimmt.

© DKJS/B. Bernat

In seinem Vortrag zeigt er verschiedene Perspektiven und Erkenntnisse aus der Führungsforschung auf. Demzufolge ist gute Führung …

  • zielorientiert, bildungsorientiert
  • verantwortungsbewusst
  • strategisch
  • kompetent, professionell
  • kooperativ
  • sinnstiftend
  • passend
  • gesund

Aus seiner Sicht ist Kollaboration wichtig. „Führung braucht Kooperation und Kooperation braucht Führung“, sagt Huber. Und auch die Passung betont er, d.h. in der Situation mit Menschen das Richtige zu tun.

Prof. Dr. Uwe Schmidt fokussiert in seinem Vortrag auf den Ansatz der transformationalen Führung. Während die transaktionale Führung auf Zielvereinbarungen, Normen und Belohnung basiert, geht es bei der transformationalen Führung darum, Werte und Einstellungen dauerhaft zu verändern und einen Kulturwandel zu vollziehen.

Auch er betont die sinnstiftende Funktion von guter Führung und die Wichtigkeit von Kooperation. Eine der Hauptaufgaben von Schulleitungen ist es demnach, alle Mitarbeitenden so zu motivieren, dass sie immer besser werden wollen.

Wie wichtig sind Personen?

Anschließend diskutieren die beiden Experten gemeinsam mit Moderator Armin Himmelrath und den Teilnehmenden über die Vorbildfunktion von Führungspersonen. Inwiefern hängt gute Schule von Personen ab? Kann ein funktionierendes System sich selbst tragen?

„Schule ist ein soziales System, das von Personen mit Personen für Personen gemacht wird“, sagt Prof. Schmidt. Und trotzdem muss die Führung nicht an einer einzelnen Person hängen, sondern kann auf eine Gruppe von Menschen verteilt sein, relativiert Prof. Huber. Und Marianne Stenberg ergänzt: „Es muss immer jemanden geben, der Fragen stellt.“

„Ich denke, man kann Vieles theoretisch lernen“, sagt Annette Turowski von der Gesamtschule Borbeck in Nordrhein-Westfalen nach dem Gespräch. „Wichtig ist, dass man authentisch bleibt.“ Sie jedenfalls hat einiges aus den fachlichen Anregungen am Vormittag mitgenommen: „Ich werde versuchen, die Kolleginnen und Kollegen mehr wahrzunehmen, um ihre intrinsische Motivation zu wecken.“ Außerdem möchte sie die Leitlinien ihrer Schule umschreiben, um die Gesundheitsvorsorge stärker einzubringen.

Länderübergreifender Fachaustausch

Im zweiten Teil des Fachtags haben die Teilnehmenden Zeit, sich in Salons und Workshops länderübergreifend auszutauschen. Neben der Gestaltung von Veränderungsprozessen sprechen sie auch über multiprofessionelle Teams an Ganztagsschulen, eigenverantwortliche Schule und Leading Teacher Learning.

Eine ausführliche Dokumentation der Salons und Workshops finden Sie in Kürze auf dieser Website.

Aha-Effekte

Zum Abschluss des Fachtags stimmen alle Teilnehmenden per Handy ab, was an diesem Tag ihr größter Aha-Effekt war. Die eingetippten Schlagworte sind auf einer Leinwand als Word Cloud zu sehen:

„Egal ob man über Führungsstile oder -persönlichkeiten redet – es muss zu den Menschen passen“, betont LiGa-Programmleiter Christian Hahn von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zum Abschluss der Veranstaltung. „Das Wort ‚Mut‘ ist in der Wortwolke herausragend groß. Und darum geht es ja: Dass Sie alle nach diesem Fachtag voller Handlungsmut nach Hause fahren und Neues ausprobieren.“

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